Reise in die Unterwelt
völlig in ihre fledermausähnlichen Flügel gehüllt hatte, die sie nun ausbreitete. Sie benutzte die Flügel als Beine und hüpfte darauf die Kommode entlang, ehe sie einen Spalt ihres eiförmigen Körpers öffnete, daß es aussah, als mache sie ein Auge auf. Ein wahrhaft koboldhaftes Gesicht kam zum Vorschein. Der kopflose Eikörper verneigte sich grinsend vor den fünf ihn beobachtenden Personen im Raum (auch Tors Weib ließ keinen Blick von ihm).
Plötzlich hüpfte Polderbag schreiend in die Höhe, und es sah aus, als wolle er eine Art Kriegstanz aufführen. Dann folgten die drei anderen Männer seinem Beispiel, denn der Boden war kochend heiß geworden und hatte begonnen Blasen zu werfen, die betäubenden Schwefelgestank verbreiteten.
»Kobold! Kobold von Ka!« brüllte der von einem Bein auf das andere hüpfende Tor. »Ich befehle dir, diesem Angriff ein Ende zu setzen und den Kerl herbeizuschaffen, der dafür verantwortlich ist.«
Das Grinsen des Kobolds verbreitete sich noch, und wieder verbeugte sich der Eikörper. Sofort prasselten dicke Hagelkörner auf den brodelnden Boden – und die hüpfenden Gestalten. Mit dem Mund voll Eis stieß Tor wütend hervor, der Kobold möge den Sturm beenden.
Der Hagel hörte auf, genau wie kurz zuvor das Brodeln des Fußbodens. Ein stinkender Dampf stieg von den verbrannten Brettern auf. Ehe Tor noch seine Unzufriedenheit mit dem Dienst des Kobolds äußern konnte, führte dieser den zweiten Teil des Befehls aus. Die Tür öffnete sich. Ein kahlköpfiger, prächtig gekleideter Mann schwebte starr und mit leerem Blick herein, die Beine gut zwanzig Zentimeter vom Boden.
»Karf Klartbodd!« keuchte Tor. »Nun ist er in meiner Hand! Welch süße Rache! Du hast deine Sache gut gemacht«, wandte er sich nun zu dem Kobold um. »Doch mußt du in Zukunft besser aufpassen, wenn du meine Befehle ausführst, daß du mich nicht Unbequemlichkeiten aussetzt, wie dieser Hagelsturm es tat. Doch sei dir diese Gedankenlosigkeit verziehen. Bring Karf wieder zu sich, er soll meine Rache bei vollem Bewußtsein erleben.«
Zum drittenmal verneigte sich der Kobold, und der noch starre Karf begann zu blinzeln und sich voll Schrecken umzusehen. Tor triumphierte – doch nicht lange. Die nächste Bewegung machte nämlich nicht Karf, sondern er. Er schritt auf den Gegner zu, verbeugte sich zutiefst, nahm die Hand seines Feindes und küßte sie untertänig.
Nach dem mehr als überraschten Ausdruck auf Tors Gesicht war den Zuschauern absolut klar, daß er gegen seinen Willen handelte. Das wurde noch deutlicher, als er diensteifrig einen Sessel herbeischob und ihn Karf anbot und danach auch die drei Pilger und seine Frau bat, sich doch zu setzen. Dann warf er sich, immer noch mit völlig verwirrtem Gesicht, in Positur und begann eine Erklärung abzugeben:
»Ich, Tor Anderbastor, bin ein hirnverbrannter Narr und ein gewissenloser, habgieriger Schurke. Nicht nur einmal habe ich Mörder gedungen, um Konkurrenten aus dem Weg zu schaffen. Ich habe Vamba Meeming um ihr Erbe betrogen und ließ sie und ihre Familie als Sklaven verkaufen. Als ich noch jünger war, tat ich den Töchtern angesehener Familien, die mir zum Unterricht anvertraut waren, Gewalt an. Ihr Schweigen versicherte ich mir durch Drohungen und Zauberformeln. Seit einiger Zeit bin ich nicht mehr fähig, meinen ehelichen Pflichten nachzukommen. Seither esse ich Fenleeksuppe zum Abendbrot, denn sie verursacht schlechten Atem und abscheulichen Körpergeruch. Das entmutigt die amourösen Avancen meines jungen, heißblütigen Weibes. Meine Begierde beschränkt sich nun auf Macht und Reichtum. Abschließend möchte ich noch bemerken, daß ich ein Kriecher und Speichellecker bin, wenn es meine Ziele fördert, und ich meine Macht benutzen würde, um meine Mitmenschen nach meiner Pfeife tanzen zu lassen und sie zu unterdrücken und auszunutzen.«
Als er geendet hatte, verbeugte Tor Anderbastor sich. Karf Klartbodd applaudierte höflich, dann erhob er sich und bot Tor seinen Sessel an. Tor setzte sich, und nun warf Karf sich in Pose und begann:
»Ich, Karf Klartbodd, bin ein sadistischer Monomane, der nach seinen Lüsten lebt ...«
Die drei Gefährten und Tors Weib kamen jedoch nicht in den Genuß seiner ganzen Rede. Der Kobold von Ka, der sich ungemein über Tors Erklärung amüsiert hatte, wurde der Sache müde. Er kroch an der Zimmerdecke entlang und schließlich zum Fenster hinaus. Sull, Cugel und Polderbag wußten, daß ihr weiteres
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