Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
vorbereitet worden war. Von ihrem Fenster hatten sie eine herrliche Aussicht. Zu ihrer Rechten führte der wunderbare Pont de Bordeaux über die Garonne; etwas weiter oben erstreckte sich bereits inmitten der Baugerüste die Eisenbahnbrücke, mit der die Gare d’Orléans an die Gare du Midi angeschlossen werden soll. Dem Hafen gegenüber, am anderen Ufer, bot das Quartier de la Bastide den Blicken die malerische Zeile seiner Häuser dar und die Villen seiner ländlichen Gefilde. Hunderte von Kähnen, die mit Sonnensegeln und Flaggen geschmückt waren, stellten eine nie abbrechende Verbindung zwischen den beiden Quais des Flusses her. Auf der linken Seite wölbte sich der Bogen, den die Garonne an Bacalan entlang beschreibt, und die Hügel von Lormont erhoben sich am Horizont. Unzählige Schiffe in vielerlei Gestalt und von einzigartiger Schönheit, Handelsschiffe, amerikanische Klipper und englische Steamer paarten sich in der Mitte des Flusses; sie wurden nur von einem Anker gehalten, und bei jeder Flut
schwoiten
sie von allein und drehten sich langsam unter Einwirkung der Strömung wieder zurück.
Neuntes Kapitel
Besuch am Meerbusen von Arcachon
Am nächsten Morgen liefen Jacques und Jonathan auf den Quai; sie bestürmten den freundlichen Zöllner mit Fragen. Nichts Neues! Also mußte nach einer Verwendung für diesen Tag gesucht werden. Edmond R. schlug eine Spazierfahrt auf der Garonne vor, und alle waren einverstanden. Sie schifften sich vor dem Hôtel de Nantes ein, am Fuß eines riesigen Mastenkrans.
Der Kahn steuerte auf den Pont de Bordeaux zu. Edmond R. spielte mit seiner unerschöpflichen Redseligkeit den Cicerone, zum größten Vergnügen seiner Gäste.
»Ihr glaubt bestimmt«, sagte er zu ihnen, »daß diese Brücke schlicht und einfach eine Brücke ist?«
»Ja, gewiß.«
»Nun, liebe Freunde, sie ist auch eine Kaserne!«
»Eine Kaserne!«
»Und noch dazu eine große Kaserne! Unter der Fahrtrasse können sechstausend Mann einquartiert werden.«
»Ach wo! Sechstausend Mann«, rief Jacques.
»Mindestens sechstausend Mann!« fuhr Edmond fort.
»Du solltest nicht daran zweifeln, Jacques«, entgegnete Jonathan, »sonst sagt er dir noch zwanzigtausend.«
»Also meinetwegen, sechstausend Gascogner!«
Nachdem die Ausflügler die Kühnheit der Brückenbogen bewundert hatten, fuhren sie nach Bacalan hinunter und kehrten, der langen Linie der Quais folgend, bis zur Börse zurück, einem nicht gerade präsentablen Bauwerk. Edmond führte sie zur Kathedrale, einer in den Annalen der Archäologie mit gutem Recht nicht angeführten Kirche. Anschließend begaben sie sich zum Turm von Saint-Michel, dessen Mumien besonders sehenswert sein sollen. Man zeigte ihnen unter anderen die eines Trägers vom Hafen, ein legendärer Held, der eines schönen Tages auf seinen Schultern eine mehr als dreitausend Pfund wiegende Last fortgeschleppt hatte!
»Hoho! Dreitausend Pfund!« meinte Jacques, der wie immer skeptisch war. »Wieviel wiegen denn eure Kilogramm, hier in der Gascogne?«
»Darauf könnt ihr Gift nehmen«, fuhr Edmond fort. »Dreitausend Pfund, wenn nicht sogar viertausend!«
»Na gut!«
»Reize ihn bitte nicht«, meinte Jonathan, »sonst erhöht er noch auf fünftausend Pfund!«
Edmond zuckte mit den Schultern; als Südfranzose hielt er diese denkwürdigen Taten für etwas ganz Natürliches!
Der Tag ging im Theater zu Ende, wo die drei Freunde eine Provinzaufführung der
Hugenotten
miterlebten.
Der Sonntag, den Jonathan gequält am 8. August anbrechen sah, verstrich, ohne daß die Reisenden etwas von ihrem schimärenhaften Schiff gehört hätten! In seiner Verlegenheit, wie er so beunruhigte Leute zerstreuen sollte, beschloß Edmond R., sie nach Arcachon mitzunehmen, wo sie im Meer baden könnten. Jonathan wehrte sich: Es erschien ihm albern, diese famose Schottlandreise fortzusetzen, indem sie immer weiter nach Süden vordrangen. Doch er mußte sich den Wünschen der Mehrheit beugen; am Montagmorgen bestiegen sie alle drei den Train du Midi und trafen ein paar Stunden später an ihrem neuen Bestimmungsort ein.
Der Meerbusen von Arcachon verdient es wirklich, besucht zu werden, denn er ist unermeßlich: Hohe Sanddünen, auf denen immergrüne Pinien wachsen, ziehen sich in gefälligen Linien an den Ufern entlang; die heilkräftigen Harzdüfte erfüllen die Luft mit einem belebenden Wirkstoff. Dieser noch unlängst höchst urwüchsige Landstrich steht im Begriff, zivilisiert zu werden, und
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