Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
Handlung erfordert einige unerläßliche Formalitäten. Deshalb gebot Edmond R. auch Jacques Einhalt, als dieser sich anschickte, sein Glas an die Lippen zu führen. Der Wein stammte aus dem Clos d’Estournelle, war fünfzehn Jahre alt und verdiente Aufmerksamkeit. Edmond goß ihn zunächst in große Gläser, die er nur zu einem Viertel füllte; dann ging er seinen Gästen mit gutem Beispiel voran und hob dieses Glas in Augenhöhe, durchbohrte mit seinem Blick die flüssigen Rubine, gab zu verstehen, daß dieser alkoholreiche, farbenprächtige Wein Körper habe, eine feine Nase und daß er ein köstliches Fleisch besitze; danach ließ er sein Glas sinken, schwenkte es langsam von rechts nach links und schneller von links nach rechts, tauchte den knöchernen Höcker, mit dem die Natur ihn großzügig ausgestattet hatte, tief hinein und schnupperte einige Minuten lang die lieblichen Düfte, die von dieser geschickten Kreisbewegung freigesetzt wurden. Nach einer stummen Verzückung schluckte er mit geschlossenen Augen all die von den Jahren in dieser wohltuenden Flüssigkeit vervielfachten Genüsse. Auf diese Weise trinkt man also in Bordeaux; es liegt etwas Religiöses in dieser Feierlichkeit, und jeder würde verhöhnt, der anders vorgehen wollte.
Jacques fand dieses Verfahren ausgesprochen ergötzlich, doch es hatte den Nachteil, das Essen in die Länge zu ziehen, und er wollte vor allem erfahren, wie es um die
Hamburg
bestellt war. Als Edmond R. sich erbötig machte, die beiden Freunde auf einem Spaziergang durch die Stadt zu begleiten, wollte Jacques deshalb gleich als erstes zu Mister Daunts Stellvertreter geführt werden und weigerte sich, die Herrlichkeiten von Bordeaux zu bewundern. Er wandte nicht einmal den Kopf zur Seite, um einen Blick auf die Quinconces zu werfen, die zu diesem Zeitpunkt mit den Schaubuden einer Ausstellung überfüllt waren, und gelangte endlich zu dem heißersehnten Geschäftspartner.
Dieser teilte ihm mit, daß Mister Daunt höchstpersönlich in Kürze nach Bordeaux kommen würde; was die
Hamburg
betraf, so hatte sie Glasgow verlassen, und man erwartete sie von einem Tag auf den anderen. Jacques trat ein wenig enttäuscht auf die Straße und ließ sich herumführen.
Edmond R. hegte gegenüber seiner Geburtsstadt keinerlei Vorurteile: Sofern man ihre Straßen, Plätze und Baudenkmäler, ihren Hafen, ihren Fluß und ihre Umgebung vorbehaltslos bewunderte, war er nicht weiter anspruchsvoll.
Als wahrer Komponist versuchte Jonathan, den weiblichen Part der Bevölkerung zu studieren. Zu diesem Zweck begab man sich auf den nahe gelegenen Markt, wo es von Bordelaiser Grisetten nur so wimmelte, mit schmucken Madrastüchern auf dem Kopf, die ihre aufgeweckten Gesichter noch lebendiger machen. Fast alle sind dunkelhaarig, und sie haben strahlend weiße Zähne; ihr Schnürleibchen ist verführerisch, ihr Wuchs frisch und anmutig; sie scheinen durchaus geneigt, amüsante Gespräche zu führen, doch was für ein Lärm herrscht auf diesem Markt, was für ein Geschrei, was für ein emsiges Treiben! Was für ein Austausch kecker Bemerkungen, was für ein Gebrauch pikanter Metaphern! Was für eine Kühnheit in der Phantasie und den Worten! Man spürt, daß durch all diese Kehlen das Wasser der Garonne geflossen ist!
Mit den breiten Straßen der vor kurzem erbauten Viertel sieht Bordeaux wie eine Großstadt aus. Das Theater wirkt monumental. Der Platz ist schön und ermöglicht einen leichten Zugang zum Säulenvorbau. Vielleicht ist zu bedauern, daß der berühmte Architekt Louis die Fassade des Bauwerks nicht dem Hafen zugekehrt hat.
Die beiden Freunde waren bei dreißig Grad Hitze am Ende ihrer Kräfte, und Jacques brachte, Edmonds Aufgekratztheit zum Trotz, nur ein sehr mäßiges Interesse für die Schönheiten der Stadt auf; eine einzige Besonderheit genoß das Privileg, die Falten auf seiner Stirn zu glätten. Als er nämlich sah, wie die Esel dieser Gegend, mit Hosen aus Leinwand oder Baumwolle bekleidet, in dieser seltsamen Aufmachung würdevoll durch die Straßen schreiten!
»Jetzt fehlt ihnen nur noch der schwarze Rock«, sagte er, »dann würden sie wie Gelehrte aussehen.«
»Das soll sie wahrscheinlich vor Fliegenstichen schützen!« antwortete Jonathan.
»Weiß Gott! Ich kann mir wohl denken, daß sie damit nicht in der feinen Gesellschaft verkehren sollen!«
Nachdem die beiden Pariser sich von Edmond R. verabschiedet hatten, gingen sie in das Zimmer hinauf, das im Hotel für sie
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