Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
Tisch; eine dickbäuchige Kaffeekanne wurde zwischen großen, leeren Gläsern und einer langen Whiskyflasche plaziert; obwohl sie gerade erst zu Mittag gegessen hatten, mußten Kapitän Speedys Gäste dem infernalischen Käse und dem noch infernalischeren Whisky alle Ehre angedeihen lassen. Unter dem Einfluß dieses vollkommen farblosen Kornbranntweins, dessen anregende Wirkstoffe sich durch die Beimengung von brühheißem Wasser noch verstärkten, wurde Jacques furchtbar übel; doch seine gute Laune flaute nicht ab. Der Kapitän verstand sich gut auf schottische Gastfreundschaft, und ohne Unterbrechung folgte ein Trunk auf den anderen. Jonathan plauderte mit diesem ehrenwerten Mann; er redete von Schottland, Edinburgh, Dundee, und die Worte
little girl, pretty girl
kamen oft über seine Lippen, auf denen ein breites, frohlockendes Lächeln lag. Natürlich verstand Jacques kein einziges Wort, doch er fand Kapitän Speedy ungeheuer geistreich.
Jonathan erkundigte sich nach dem Abfahrtsdatum des Schiffes und erhielt die Zusicherung, daß in drei oder vier Tagen alles erledigt sei.
In diesem Augenblick kam Edmond R., dem der Chester und der Whisky eingeheizt hatten, eine fabelhafte Idee: Er lud den Kapitän noch für denselben Abend zum Souper ein. Der gute Mann sagte ohne Zögern zu, und zur vereinbarten Stunde saßen die Geladenen um einen prunkvoll gedeckten Tisch. Wie es Jacques, Edmond und Jonathan gelang, nicht nur den Anblick der vor ihren Augen ausgebreiteten Speisen zu ertragen, sondern diese auch noch verschwinden zu lassen, ist ein Problem, dessen Lösung künftigen Zeitaltern überantwortet wird. Es muß hinzugefügt werden, daß der Schotte ihnen dabei gewissenhaft zur Seite stand. Was für eine Gabelführung! Welch bewundernswerte Kieferarbeit! Der Tonfall der Unterhaltung war sehr aufgekratzt; mit freundlicher und liebenswürdiger Miene servierte Edmond schauderhafte Dummheiten. Der Kapitän verstand nichts und lachte so schallend, daß die Teller zu zerspringen drohten! Der Bordelaiser hatte sich eingebildet, den Schotten betrunken machen zu können! Was für eine Torheit! Vergeblich wurden erlesene Tropfen aus Bordeaux, dem Burgund und der Champagne, vergeblich wurden edler Cognac und die Erzeugnisse des Kirsch-Landes aufgetischt, Speedy goß alles hinunter, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken: Die Garonne wurde vom Clyde überflutet! Um Mitternacht ging dieses wüste Gelage zu Ende; die beiden Pariser kehrten, an die stämmigen Arme des Kapitäns geklammert, ins Hotel zurück, und auf dem Heimweg redete Jacques mit ihm unablässig in einem Englisch, das er nicht beherrschte, während der andere ihm in einem Französisch antwortete, das er noch nie beherrscht hatte.
Der nächste Tag diente der Erholung: Niemand kroch aus seinem Bett. Am Sonntag wurden die Echos von Lormont durch die Kanone des 15. August unsanft aus dem Schlaf gerissen, sie beging den Nationalfeiertag; ein großartiges Feuerwerk sollte den Tag abschließen, doch als echtes Bordelaiser Feuerwerk hatte es sich beeilt, ein paar Tage zuvor ganz von alleine loszugehen; deshalb beschränkten sich die Volksbelustigungen auf zweiundvierzig von den Soldaten der Linientruppen abgefeuerte Kanonenschüsse.
Indessen verstrichen die Stunden, und an Bord der
Hamburg
nahmen die Arbeiten langsam ihren Fortgang. Bei der Wasserlinie war keine Veränderung eingetreten: Das vollkommen entladene Schiff ragte in beklagenswerter Weise aus dem Wasser heraus. Montag und Dienstag vergingen, erst am Mittwoch gelangten die Getreidesäcke, aus denen die Fracht bestehen sollte, an Bord; die Luken wurden geöffnet, und der Laderaum begann sich zu füllen. Jacques hatte sich mit einem dolmetschenden Lastenträgermeister angefreundet, der die Anlieferung der Waren überwachte; er nötigte ihn, dem Kapitän tausend Fragen zu stellen, die alle mit dem vermutlichen Abreisetag in Zusammenhang standen. Der Schotte legte ihn endlich auf den Freitag fest, und sogleich wurde die Frage aufgeworfen, ob man es sich nicht unverzüglich an Bord bequem machen sollte. Doch Jonathan wollte nicht einwilligen; er hegte nach wie vor Zweifel, und zwar mit gutem Recht. Im übrigen begann er sich ernsthaft zu langweilen: Er erklärte, daß er auf diese absurde Schottlandreise, die in die verkehrte Richtung ging, verzichten konnte, und sprach davon, einen Vorstoß in die Pyrenäen zu unternehmen. Diesbezüglich kam es zu einer lautstarken Diskussion, obendrein noch angestachelt von
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