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Reise nach Genf

Reise nach Genf

Titel: Reise nach Genf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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ich.
    »Genau. Motive wie Sand am Meer. Nehmen wir also an: Niemand rief Watermann an, um ihn nach Genf zu locken. Nehmen wir an, er erfand den Anruf, um ganz im geheimen in Genf mit bestimmten Leuten zusammenzutreffen. Ergibt das einen Sinn?«
    »Nicht den geringsten«, entschied ich schnell. »Wir müssen uns vorstellen, wie die Szene ist: Watermann hockt vollkommen verkrampft in diesem Ferienhaus. Da ist etwas passiert, was ihn fassungslos macht. Die Partei, seine geliebte Partei, will nichts mehr von ihm wissen. Er weiß genau, daß draußen die Presse lauert, und er weiß noch etwas: Er kann dieser Presse bestenfalls für Stunden entkommen, nicht für Tage, erst recht nicht für Wochen. Als er tot war, las man in seinem Tagebuch, daß er in Genf einen gewissen Rohloff treffen wollte. Angeblich wurde dieser Rohloff niemals identifiziert. Das ist eine regierungsamtliche Lüge, denn sowohl das Bundeskriminalamt wie der Bundesnachrichtendienst wie der Minister im Bundeskanzleramt wußten genau, wer sich hinter dem Namen Rohloff verbarg, nicht wahr? Es ist …«
    »Es war Gerber«, murmelte sie matt. »Gerber, immer wieder Gerber.«
    »Richtig, Gerber. Höchst dubioser Agent, Privatdetektiv. Hat gearbeitet für den Bund, für die Geheimdienste, für den Ministerpräsidenten in Niedersachsen, ist nach Meinung vieler ein skrupelloses Schwein, wird aber gedeckt.« Ich stockte und grinste und sagte: »Gerber ärgert mich. Er verführt mich zu blödsinnigen Gedankensprüngen. Also logisch weiter: Wir wissen, daß Gerber tatsächlich in Genf war, als Watermann krepierte. Gerber war im Hotel nebenan. Zurück jetzt, back to the roots. Watermann kann nicht einfach so nach Genf geflogen sein. Das wäre vollkommen unsinnig. Er muß geflogen sein, weil er wußte: Dort ist jemand. Und dieser Jemand muß mit ihm telefoniert haben. Er muß gesagt haben: Komm her, ich hole dich aus der Scheiße heraus. Einverstanden?«
    »Einverstanden.« Sie nickte. »Watermann war so verzweifelt, daß er selbstverständlich nach jedem Strohhalm griff. Also flog er hin. Was folgt daraus?«
    »Daraus folgt, daß der Anruf von seinem Mörder kam«, sagte ich.
    Sie nickte und zündete sich erneut eine Zigarette an. Dann trank sie hastig in großen Schlucken das Weinglas aus.
    »Aber wenn der Anrufer der Mörder war, muß er ihn persönlich bestens gekannt haben, oder der Name des Mörders bürgt für bestimmte Qualitäten. Das heißt, daß der Mörder jemand gewesen sein muß, der Watermann dazu bringen konnte, alles stehen- und liegenzulassen und nach Genf zu fliegen. Einverstanden?«
    »Ja. Aber das alles bringt uns nicht weiter.«
    »Nein, nein, das nicht. Aber es zeigt doch, wo Sie anfangen müssen. Warum sind Sie nach Kiel gekommen?«
    Ich zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich, um Sie zu treffen. Ist es nicht gleichgültig, wo ich beginne? Ich habe in der Eifel einen Freund, den jungen Milchviehzüchter Thomas. Erstklassiger Betrieb links der Straße zwischen Niederehe und Stroheich. Thomas hat einen Hund, Benny heißt der. Eigentlich ist Benny kein Hund, eigentlich ist er so etwas wie ein anlehnungsbedürftiger Schlaffsack mit Schwanz. Es gibt nur eine Möglichkeit, Benny sauer zu machen. Wenn man ganz laut und drohend ›Finanzamt! Finanzamt!‹ schreit. Dann rennt er wütend los und sperrt knurrend die Hofeinfahrt. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Sie suchen also nach einer Möglichkeit …« Sie lachte laut und dröhnend.
    »Es muß ein Reizwort geben, um alle schlafenden Hunde zu wecken. Ich weiß nur noch nicht …«
    Draußen schrie jemand sehr erregt: »Minna, verdammt noch mal! Mach auf!« Dann klackte etwas gegen die Fenster, kleine Steine vermutlich.
    Sie kicherte. »O Gott, mein edler Ritter.«
    »Wer, bitte?«
    »Karl-Heinz heißt er. Er ist fünfundzwanzig. Er hat sich geschworen, mich vor allem Bösen zu beschützen. Er ist so ein Kind!«
    Draußen schrie das Kind: »Verdammt, Minna, mach auf!«
    »Machen Sie auf«, riet ich. »Wieso schellt er nicht?«
    »Ich habe keine Klingel«, sagte sie, stand auf und ging.
    Als sie die Tür öffnete, sagte sie: »Keine Sorge, er wird sofort verschwinden.«
    Ich hörte, wie sie auf der Treppe erregt miteinander sprachen, aber ich verstand kein Wort. Es war jetzt zwanzig vor drei.
    Dann stand Minna in der Tür, zwinkerte mir kurz zu und sagte empört: »Karl-Heinz glaubt mir nicht, daß wir alte Bekannte sind. Sag du ihm das mal.« Dann glitt sie zur Seite, damit Karl-Heinz an ihr

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