Reise nach Genf
Billig-Illustrierten. Er wollte ein Interview mit mir wegen Watermann. Ich lehnte ab. Aber der Kerl wollte nicht aufgeben. Da nahm Karl-Heinz ihn am Kragen, trug ihn nach draußen auf den Gehsteig und titschte ihn auf das Pflaster wie einen Gummiball. Das war ziemlich brutal.«
»War er oft hier in der Wohnung?«
»Zwei-, dreimal. Nicht mehr.«
»Aber Sie haben ihm viel von sich erzählt, nicht wahr?«
»Ja, ich glaube schon. Ich war ihm dankbar, daß er aufpaßt. Wenn man so alt ist wie ich und keine feste Beziehung hat, kann ein Karl-Heinz sehr nützlich sein.«
Ich ging in die Küchenabteilung, um mir noch einen Kaffee aufzugießen. »Glaubt Ihr Vater noch an seine christliche Partei?«
»Nein. Er ist damals ausgetreten, und man darf in seiner Gegenwart Watermanns Namen nicht mehr in den Mund nehmen. Damals rannte er verstört durch das Haus und sagte: Der Kerl gehört weg! Und als es dann hieß, Watermann hätte Selbstmord begangen, da sagte mein Vater nur: Geschieht ihm recht. Erholt hat er sich nie davon.«
»Ist bei Ihnen jemals Polizei aufgetaucht? Oder irgendwelche Leute von den Geheimdiensten?«
»Natürlich. Der Verfassungsschutz war da. Sie sagten, ich solle den Mund halten, und das sei ja wohl auch das Beste für eine Politikerschickse. Jemand von der Staatsanwaltschaft war auch da. Aber als der hörte, daß ich mit Watermann nur geschlafen habe, sagte er, mit Kinkerlitzchen könnten sie sich nicht abgeben. Was werden Sie machen, wohin werden Sie gehen?«
»Erst einmal schlafen.«
»Haben Sie ein Hotel?«
»Nein. Ich rolle mich irgendwo in einem schönen Wald in meinen Schlafsack.«
»Sie können den Schlafsack auch hier irgendwo hinlegen.«
»Das ist nett, vielen Dank, lieber nicht.«
»Das ist kein unsittlicher Antrag«, sagte sie amüsiert.
»Das habe ich auch nicht gedacht. Ich will allein sein, nachdenken und die Gegend genießen.«
»Ich hätte Angst allein im Wald.«
»Ich habe keine Angst, eher im Gegenteil. Ich kriege nur Angst bei zuviel Beton.«
»Ein richtiger Naturfreund«, spottete sie.
»Ich komme Sie besuchen«, murmelte ich. »Im Harlekin.«
»Ihren Kaffee trinken Sie nicht mehr?«
»Nein. Zuviel Kaffee. Schlafen Sie gut.«
Ich schloß die Tür hinter mir und ging hinunter auf den Platz, auf dem der Jeep stand.
Sie warteten nicht, bis sich meine Augen an die tiefblaue Dunkelheit gewöhnt hatten. Der Mann vor mir war sicher einen Kopf größer, er trug ein helles Jackett über einem weißen Hemd. Er schlug eine Dublette und traf mich rechts und links in den Halsansatz. Ich fiel nach vorn, und er sagte betont freundlich: »Tut mir leid, die Tür ist Ihnen ins Kreuz geschlagen.«
Ich kniete und fiel dann langsam nach vorn. Weil mein rechter Arm nicht mehr mitmachte, schlug ich mit dem Gesicht in den Kies. Es schmeckte salzig.
Die gleiche Stimme sagte: »Er heißt Baumeister, Siegfried. Aus einem Nest in der Eifel. So ein Scheißschreiber.«
Eine andere Stimme fragte: »Nehmen wir ihn mit?«
»Selbstverständlich«, erwiderte der, der mir die Tür ins Kreuz geschlagen hatte. »Wir nehmen ihn mit, sein Wagen kann hierbleiben.«
Irgend etwas quietschte, und dann kam die aufgeregte Stimme Minnas: »Baumeister? Hallo? Wer ist da unten? Was machen Sie da? Wo ist …«
»Wir sollten hier verschwinden«, sagte der Mann, der mich zusammengeschlagen hatte. »Machen wir, daß wir wegkommen.«
»He, Sie da«, rief Minna. »Was ist los? Baumeister? Sind Sie das?«
Ich hatte Sand und kleine Steine im Mund. Ich spuckte. »Einladen und weg hier«, sagte der Mann über mir.
Ich wollte etwas sagen, aber es wurde nur ein Krächzen. Jemand faßte mich unter den Arm und hob mich hoch, ein Wagen wurde gestartet, und eine Stimme, dicht an meinem Ohr, sagte keuchend: »Mach dich doch nicht so schwer, Fettkloß.«
»Ich habe Idealgewicht«, nuschelte ich. Ich konnte nicht stehen, und mein Kopf tat mir weh.
»Er ist wach«, sagte der, der mich hielt.
»Um so besser«, sagte der, der mich zusammengeschlagen hatte.
Sie verfrachteten mich auf den Rücksitz eines Autos, setzten sich nach vorn und schwiegen die ganze Fahrt über. Nur einmal quäkte ein kleiner Lautsprecher, und der Mann am Steuer sagte dienstlich: »Kilian kommt rein.« Das Autopolster roch nach Mottenpulver. Ich bemühte mich, den Kopf hochzuhalten, aber das war schwierig. In der rechten Schulter hatte ich kein Gefühl, die linke schmerzte scharf. Ich weiß nicht, wie lange wir so dahinfuhren, aber sehr lange
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