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Reise nach Genf

Reise nach Genf

Titel: Reise nach Genf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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beschert. Wir wollen nicht, daß erneut etwas aus dem Ruder läuft.«
    »Sie wollen endlich die Kontrolle, die Sie damals schon nicht hatten«, knurrte ich. »Wahrscheinlich werden Sie mir gleich verbieten, weiter zu recherchieren.«
    »O nein«, sagte er empört. »Ich bin Demokrat, ich stehe zu diesem Staat. Ihre Arbeit symbolisiert ein demokratisches Grundrecht. O nein, das wollen wir Ihnen nicht streitig machen. Es geht um einen anderen Punkt. Sie haben Minna Tenhövel getroffen. Weshalb?«
    »Sie hatte etwas mit Watermann. Das ist fünf Jahre her. Sie wissen das. Sie wissen auch, daß sie abtreiben ließ. In Holland. Sagen Sie nicht, Sie wissen das nicht. Wenn Sie es nicht wissen, sind Sie schlecht im Beruf.«
    »Ich weiß es«, gab er zu. »Sie haben sich in der Hoffnung an Minna Tenhövel gewandt, sie wisse mehr.«
    »Ach du lieber Gott«, sagte ich erheitert. »Das nicht gerade. Aber zuweilen haben andere Menschen gute Denkansätze. Ich suche nach guten Denkansätzen.«
    »Sind Frau Tenhövels Denkansätze gut? Und wenn ja, inwiefern?«
    »Sie denkt quer«, sagte ich. »Das wissen Sie auch. Die Affäre Watermann ist unsauber und nicht im geringsten erledigt.«
    »Es war Selbstmord«, sagte er schnell und hart.
    »Mord«, sagte ich ebenso schnell. »Wer nach dem heutigen Kenntnisstand immer noch von Selbstmord ausgeht, ist entweder Politiker oder blind. Ja, ja, ich weiß, es ist prima geschaukelt worden: Die Staatsanwaltschaft in Kiel hat das Ermittlungsverfahren eingestellt und darauf verwiesen, daß bei eventuell offenen Fragen am Tatort weiter ermittelt werden müßte. Und die Genfer warten seit Jahren, daß die Deutschen mit Verdachtsmomenten und Theorien kommen. Das habt ihr alle prima gemacht, und jeder darin Verwickelte kann ruhig weiterschlafen.«
    »Das ist Polemik«, sagte er aufgebracht.
    »Das ist es nicht. Es ist eine fachliche Äußerung. Niemand hat ein Interesse daran, den Fall Watermann aufzuklären. Das ist zuviel Schmutz, das will niemand, am wenigsten seine alten Parteikumpane.«
    »Die wilden Phantasien des Siggi Baumeister. Schon wieder eine Verschwörungstheorie!« höhnte er.
    »Verschwörungstheorien können stimmen«, sagte ich wütend. »Watermann war für beinahe jede Sauerei gut. Und beantworten Sie mir nur eine Frage:
    Watermann fliegt von Gran Canaria nach Genf und wird einen Tag später tot in seiner Badewanne gefunden. Er hat insgesamt acht Medikamente im Leib. Nehmen wir einmal zu Ihren Gunsten an, er hat sie sich tatsächlich auf irgendeine Weise beschaffen können. Dann bleibt immer noch eines ungeklärt: Wo sind die Verpackungen dieser Medikamente?«
    Er war eine Weile still. »Er hat eben einen raffinierten Selbstmord begehen wollen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Sie hocken hier und wiederholen alte Lügen. Der Mann hat die Landesregierung jahrelang wie seinen privaten Country-Club geführt, er konnte mit euch machen, was er wollte. Der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst: alles prima Jungens, aber so weit neben der Schnur, daß Watermann es geschafft hat, mindestens siebenmal in die DDR zu reisen, ohne daß einer von euch ihn begleiten konnte. Ihr habt nicht gewußt, was hier lief.«
    »Sie gehen zu weit«, stellte er sanft fest.
    »Ich gehe nicht zu weit, ich sage nur die Wahrheit. Und Sie haben mir noch immer nicht gesagt, weshalb ich hier bin.«
    Er nahm die Akte, und wahrscheinlich fragte er sich, ob er es riskieren könnte, grob zu werden. Er entschied sich dagegen.
    »Hier steht, daß Sie ein sehr kritischer Journalist sind, daß …«
    »Reden Sie keinen Stuß«, unterbrach ich heftig. »Da steht, daß ich diesem Staat gegenüber höchst kritisch eingestellt bin, daß ich zu den Oppositionellen gezählt werden muß, daß ich über meine bloße journalistische Tätigkeit hinaus ein Feind der Polizei, der Kriminalpolizei und der Geheimdienste bin.«
    »So ungefähr«, nickte er. »Stimmt das?«
    »Nein, das stimmt nicht. Ich habe nur etwas gegen den Mißbrauch von Macht. Also: Weshalb bin ich hier?«
    »Sagen wir einmal so: Menschen in Ihrem Beruf kommen häufiger an Hinweise, die den Behörden nicht gegeben werden.«
    »Mit anderen Worten: Sie sind selbst nicht sicher, daß es Selbstmord war.«
    Er wedelte heftig mit beiden Händen. »Aber keineswegs, das ist es nicht, Herr Baumeister. Die Staatsanwaltschaft hat die Akte geschlossen, es war eindeutig Selbstmord. Es wird nicht weiterermittelt. Aber meine Behörde weiß

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