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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Euphorie, der einem beunruhigenden Wutgefühl wich. Sie schienen dies bemerkt zu haben und begannen mich zu umkreisen, wobei sie die Hände bewegten, als kneteten sie Teig. »Was, glaubst du, ist mit dem Auto geschehen, Genaro?« fragte Don Juan mit lammfrommer Stimme. »Es ist wohl weggefahren«, sagte Don Genaro und ahmte verblüffend die Bewegung des Gänge-Schaltens und Steuerns nach. Er winkelte die Beine an, als säße er, und verharrte einige Sekunden in dieser Haltung, offenbar nur durch seine Beinmuskeln in der Schwebe gehalten. Dann verlagerte er sein Gewicht auf das rechte Bein und streckte den linken Fuß, das Durchtreten der Kupplung imitierend. Mit den Lippen machte er das Brummen eines Motors nach. Und schließlich, als Krönung, tat er so, als sei er durch ein Schlagloch gefahren und wippte auf und ab, wobei er das vollkommene Bild eines ungeschickten Fahrers bot, der auf dem Sitz herumgeschleudert wird und sich am Steuerrad festklammert. Don Genaros Pantomime war umwerfend. Don Juan lachte, bis er außer Atem war. Ich wollte in ihre Heiterkeit einstimmen, aber ich konnte mich nicht entspannen. Eine in meinem Leben beispiellose Befangenheit überkam mich. Ich glaubte innerlich zu verbrennen und begann, mit den Füßen kleine Steine zu treten, und schließlich schleuderte ich sie in bewußtloser, unberechneter Wut in die Gegend. Es war, als sei der Zorn tatsächlich außerhalb meiner selbst und habe mich plötzlich eingehüllt. Dann fiel die Wut so plötzlich von mir ab, wie sie mich befallen hatte. Ich tat einen tiefen Atemzug und fühlte mich besser.
    Ich wagte nicht, Don Juan anzusehen. Ich war verlegen, weil ich meinen Ärger gezeigt hatte, doch gleichzeitig war mir nach Lachen zumute. Don Juan trat neben mich und klopfte mir den Rücken. Don Genaro legte seinen Arm um meine Schulter.
    »Ist schon gut«, sagte Don Genaro. »Laß dich nur gehen. Hau dir auf die Nase, bis sie blutet. Nimm einen Stein und schlag dir die Zähne aus. Das tut gut. Und wenn das nicht reicht, kannst du dir mit dem gleichen Stein auf diesem Felsblock da drüben die Eier zu Brei schlagen.«
    Don Juan kicherte. Ich sagte ihnen, daß ich mich schämte, weil ich mich so schlecht benommen hatte. Ich wußte nicht, was in mich gefahren war. Don Juan sagte, er sei sicher, ich wisse genau, was vorgehe, ich täte nur so, als wisse ich es nicht, und gerade dieses So-tun-als-ob sei es, was mich wütend mache. Don Genaro zeigte sich ungewöhnlich mitfühlend; immer wieder klopfte er mir den Rücken. »Sowas passiert uns allen einmal«, sagte Don Juan. »Was willst du damit sagen, Don Juan?« fragte Don Genaro, wobei er meine Stimme imitierte und sich über meine Art, Don Juan Fragen zu stellen, belustigte.
    Don Juan sagte ein paar Absurditäten, wie etwa: »Wenn die Welt durcheinander ist, dann sind wir in Ordnung, aber wenn die Welt in Ordnung ist, dann sind wir durcheinander. Wenn also die Welt und wir in Ordnung sind, dann glauben wir, wir seien durcheinander...« Mit solchem Kauderwelsch fuhr er fort, während Don Genaro meine Art, Notizen zu machen, nachäffte. Er schrieb auf einem unsichtbaren Schreibblock, wobei er, während er die Hand bewegte, die Nasenlöcher aufriß und Don Juan mit weit geöffneten Augen ansah. Damit traf Don Genaro mein Bemühen zu schreiben, ohne dabei auf den Block zu schauen, um eine Beeinträchtigung des natürlichen Gesprächsflusses zu vermeiden. Sein Porträt war ungemein komisch. Plötzlich fühlte ich mich sehr wohl, ja glücklich. Ihr Lachen war so tröstlich. Einen Augenblick vergaß ich mich und lachte von Herzen mit. Doch dann tauchte ich erneut in einen Zustand der Besorgnis, Verwirrung und Wut ein. Was hier stattfand, dachte ich, war unmöglich. Nach den logischen Maßstäben, die ich an die Realität anzulegen gewöhnt war, war dies ganz ausgeschlossen. Doch as Beobachter sah ich, daß das Auto nicht da war. Wie immer, wenn Don Juan mich mit unerklärlichen Phänomenen konfrontierte, kam mir der Gedanke, daß ich mit Hilfe gewöhnlicher Mittel überlistet wurde. Unter Streß griff mein Verstand mit konstanter Beharrlichkeit und ohne mein Wollen immer wieder auf dieselben Methoden zurück. Ich überlegte, wie viele Gehilfen Don Juan und Don Genaro wohl benötigt hatten, um das Auto hochzuheben und von dort, wo ich es geparkt hatte, fortzutragen. Ich war absolut sicher, daß ich gewohnheitsmäßig die Türen verriegelt hatte; die Handbremse war angezogen; der Gang war eingelegt und das Lenkrad

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