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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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hatten wohl begriffen, was ich vorhatte, und liefen schallend lachend hinter mir her.
    Sobald wir am Fuß des Hügels anlangten, machten sie sich sofort an die Arbeit. Ich beobachtete sie einige Zeit. Ihr Tun war mir unbegreiflich. Sie gaben nicht etwa nur vor zu arbeiten, sie waren tatsächlich ganz in die Aufgabe vertieft, einen Felsblock umzuwenden, um nachzusehen, ob mein Auto sich darunter befände. Das war zu viel für mich, und ich ging zu ihnen hinüber. Sie keuchten und schrien, und Don Genaro heulte wie ein Coyote. Sie waren schweißgebadet. Ich stellte fest, welch gewaltige Körperkräfte sie hatten, besonders Don Juan. Neben ihm war ich ein schlapper junger Mann.
    Bald floß auch bei mir der Schweiß in Strömen. Schließlich gelang es uns, den Felsblock umzuwenden, und Don Genaro untersuchte die Erde unter dem Stein mit aufreizender Geduld und Hingabe. »Nein, es ist nicht da«, verkündete er. Auf diese Feststellung hin fielen die beiden förmlich um vor Lachen. Ich lachte nervös. Don Juan hatte offenbar richtig schmerzhafte Krämpfe; er bedeckte das Gesicht mit den Händen und lag, von Lachen geschüttelt, auf dem Boden.
    »Wohin gehen wir jetzt?« fragte Don Genaro nach langer Pause. Don Juan wies mit  einem Kopfnicken die Richtung. »Wohin gehen wir?« fragte ich.
    »Nach deinem Auto suchen!« sagte Don Juan, ohne die geringste Andeutung eines  Lächelns.
    Wieder flankierten die beiden mich, während wir durchs Gebüsch schritten. Wir hatten kaum ein paar Meter zurückgelegt, als Don Genaro uns ein Zeichen gab, stehenzubleiben. Auf Zehenspitzen schlich er um einen wenige Schritte entfernten Busch herum, spähte einige Sekunden durch dessen innere Zweige und sagte, das Auto sei nicht dort.
    Wir gingen einige Zeit weiter, und dann bedeutete uns Don Genaro durch eine Handbewegung, leise zu sein. Auf den Zehenspitzen stehend, beugte er den Rücken und streckte die Arme über den Kopf. Seine Finger waren krallenförmig gekrümmt. Aus meiner Perspektive bildete Don Genaros Körper die Form eines „S". Einen Moment verharrte er in dieser Haltung, und dann stürzte er sich buchstäblich kopfüber auf einen langen Ast, an dem trockene Blätter hingen. Er hob ihn vorsichtig auf, untersuchte ihn und stellte wieder fest, daß das Auto nicht dort sei. Während wir tief in den Chaparral hineingingen, spähte er hinter Büsche, kletterte auf kleine Paloverde-Bäume und untersuchte ihr Laub, nur um festzustellen, daß das Auto auch dort nicht war. Indessen prägte ich mir peinlich genau alles ein, was ich berührte oder sah. Die Zeitfolge und die Ordnung der Welt um mich her waren so kontinuierlich wie immer. Ich berührte Steine, Büsche,  Bäume. Ich ließ den Blick von der Nähe in die Ferne schweifen, wobei ich erst mit einem Auge, dann mit dem anderen schaute. Alle Überlegungen besagten, daß ich nicht anders durch den Chaparral wanderte, als ich es zahllose Male im normalen Leben getan hatte.
    Als nächstes legte sich Don Genaro auf den Bauch und forderte uns auf, es ihm gleichzutun. Er stützte das Kinn auf die gefalteten Hände. Don Juan tat dasselbe.
    Beide starrten eine Gruppe kleiner Bodenerhebungen an, die wie winzige Hügel aussahen. Plötzlich machte Don Genaro mit der Hand eine raffende Bewegung und umklammerte irgend etwas. Er stand hastig auf, und Don Juan tat das gleiche. Don Genaro hielt uns seine geschlossene Faust hin und bedeutete uns, näherzukommen und zu schauen. Dann öffnete er langsam die Hand. Als sie halb offen stand, flog ein großes, schwarzes Etwas davon. Diese Bewegung war so plötzlich, und das fliegende Etwas war so groß, daß ich zurücksprang und beinahe das Gleichgewicht verlor. Don Juan fing mich auf. »Das war nicht dein Auto«, bedauerte Don Genaro. »Es war eine elende Fliege. Schade!«
    Beide musterten mich. Sie standen vor mir und blickten mich nicht direkt, sondern aus den Augenwinkeln an. Es war ein langer Blick.
    »Es war doch eine Fliege, nicht wahr?« fragte mich Don Genaro. »Ich glaube wohl«, sagte ich.
    »Du sollst nicht glauben«, herrschte Don Juan mich an. »Was hast du gesehen?«
»Ich sah etwas, groß wie eine Krähe, aus seiner Hand fliegen.« Diese Feststellung entsprach dem, was ich gesehen hatte, und sollte kein Scherz sein, aber sie faßten es als die wohl spaßigste Bemerkung auf, die an diesem Tag gefallen war. Die beiden sprangen auf und ab und lachten, bis sie nach Luft rangen. »Ich glaube, Carlos hat eins abgekriegt«, sagte Don Juan. Seine

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