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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Stimme war heiser vor Lachen. Don Genaro sagte, er werde mein Auto bald finden, er fühle es immer heißer und heißer. Don Juan sagte, wir befänden uns hier in einer zerklüfteten Gegend, und es sei nicht eben wünschenswert, das Auto hier zu finden. Don Genaro nahm den Hut ab und verlängerte die Kinnstrippe mit einem Stück Schnur aus seinem Beutel, und dann band er seinen Gürtel an eine von seiner Hutkrempe herabhängende gelbe Quaste.
    »Ich mache aus meinem Hut einen Drachen«, verriet er mir. Ich beobachtete ihn und wußte, daß er scherzte. Ich hatte mich immer für einen Experten im Drachenbauen gehalten. Als Kind hatte ich die kompliziertesten Drachen gebastelt, und ich wußte, daß die Krempe des Strohhutes zu durchlässig war, um dem Wind Widerstand zu leisten. Das Kopfteil des Hutes dagegen war zu tief, der Wind würde sich darin verfangen und es unmöglich machen, daß der Hut vom Boden abhob. »Du glaubst nicht im Ernst, daß er fliegen wird, nicht wahr?« fragte mich Don Juan. »Ich weiß, daß er es nicht wird«, sagte ich. Don Genaro kümmerte sich nicht darum und vollendete seinen Hut-Drachen, indem er ihn mit einer langen Schnur verband.
    Es war ein windiger Tag, und Don Genaro lief den Hügel hinab, während Don Juan den Hut festhielt. Dann zog Don Genaro an der Schnur, und das verflixte Ding flog tatsächlich. »Schau mal, schau dir den Drachen an!« schrie Don Genaro. Er torkelte ein paarmal auf und ab, aber er blieb in der Luft. »Laß den Drachen nicht aus den Augen«, sagte Don Juan mit Nachdruck.
    Einen Augenblick war mir schwindlig. Während ich den Drachen ansah, wurde ich völlig in eine andere Zeit versetzt; mir war, als ließe ich selbst einen Drachen steigen, wie ich es an windigen Tagen auf den Hügeln meiner Heimatstadt getan hatte. Einen kurzen Augenblick überwältigte mich die Erinnerung, und ich verlor das Bewußtsein für den Zeitablauf. Ich hörte Don Genaro etwas rufen und sah, wie der Hut auf und ab torkelte und dann zu Boden fiel - wo mein Auto stand. Dies alles spielte sich so schnell ab, daß ich kein klares Bild von dem Geschehen hatte. Mir wurde schwindlig, und ich war geistesabwesend. Vor meinem inneren Auge stand ein sehr verwirrendes Bild. Entweder sah ich, wie Don Genaros Hut sich in mein Auto verwandelte, oder ich sah den Hut auf das Auto fallen. Ich wollte letzteres glauben, nämlich, daß Don Genaro seinen Hut benutzt hatte, um mich auf das Auto hinzuweisen. Nicht daß es auf diesen Unterschied angekommen wäre, das eine war so unheimlich wie das andere, aber gleichwohl klammerte mein Bewußtsein sich an dieses willkürliche Detail, um mein seelisches Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. »Streite es nicht ab«, hörte ich Don Juan sagen. Ich spürte, daß irgend etwas in mir an die Oberfläche drängte. Gedanken und Bilder strömten in unkontrollierbaren Wogen auf mich ein, als wäre ich im Einschlafen begriffen. Verblüfft starrte ich das Auto an. Es stand auf einer felsigen flachen Stelle, etwa dreißig Meter entfernt. Es sah ganz so aus, als hätte jemand es dort abgestellt. Ich lief hinzu und fing an, es zu untersuchen. »Gottverflucht!« schrie Don Juan. »Glotz nicht das Auto an. Halte die Welt an!«
    Dann, wie im Traum, hörte ich ihn schreien: »Genaros Hut, Genaros Hut!« Ich sah sie an. Sie starrten mich unverwandt an. Ihre Blicke waren stechend. Ich spürte einen Schmerz im Magen. Plötzlich bekam ich Kopfschmerzen und mußte mich übergeben. Don Juan und Don Genaro sahen mich neugierig an. Ich saß eine Weile neben dem Auto, dann schloß ich ganz automatisch die Tür auf und ließ Don Genaro auf den Rücksitz einsteigen. Don Juan folgte und setzte sich neben ihn. Das kam mir eigenartig vor, denn normalerweise saß er auf dem Vordersitz. Wie benebelt steuerte ich den Wagen zu Don Juans Haus. Ich war nicht mehr ich selbst. Mein  Magen revoltierte, und die aufsteigende Übelkeit raubte mir den Verstand. Ich fuhr einfach mechanisch.
    Ich hörte Don Juan und Don Genaro auf dem Rücksitz wie Kinder lachen und kichern. Ich hörte, wie Don Juan mich fragte: »Kommen wir schon näher?« Nunmehr achtete ich erstmals bewußt auf die Straße. Tatsächlich waren wir ganz nah bei seinem Haus. »Wir sind gleich dort«, murmelte ich.
    Sie brüllten vor Lachen. Sie schlugen die Hände zusammen und klatschten sich auf die Schenkel.
    Als wir beim Haus anlangten, sprang ich automatisch aus dem Wagen und hielt ihnen die Tür auf. Don Genaro stieg als erster aus und

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