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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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gratulierte mir für die, wie er sagte, schönste und unbeschwerlichste Fahrt, die er im Leben gemacht hätte. Don Juan tat dasselbe. Ich achtete nicht weiter auf sie.
    Ich schloß das Auto und schleppte mich mit knapper Not zum Haus. Ich hörte Don Juan und Don Genaro schallend lachen, bevor ich einschlief.

19. Die Welt anhalten
    Sobald ich am nächsten Tag erwachte, begann ich, Don Juan Fragen zu stellen. Er hackte hinter dem Haus Feuerholz, Don Genaro aber war nirgends zu sehen. Er meinte, es gebe nichts zu besprechen. Ich wies ihn darauf hin, daß es mir gelungen sei, mich zu beherrschen und Don Genaros »Auf-dem-Boden-Schwimmen« zu beobachten, ohne irgendwelche Erklärungen zu wünschen oder zu verlangen, doch meine Zurückhaltung habe mir nicht geholfen, die Vorgänge zu verstehen. Ich erzählte ihm weiterhin, daß ich mich nach dem Verschwinden des Autos automatisch bemüht hätte, nach einer logischen Erklärung zu suchen, doch auch dies habe mir nichts genützt. Ich sagte Don Juan, daß dieses Beharren auf Erklärungen nichts sei, was ich mir eigenmächtig ausdachte, nur um Schwierigkeiten zu machen, sondern es sei mir so tief eingewurzelt, daß es alle anderen Erwägungen ausspielte. »Es ist wie eine Krankheit«, sagte ich.
    »Es gibt keine Krankheiten«, sagte Don Juan. »Es gibt nur ein Sich-Gehenlassen, und du läßt dich gehen, indem du versuchst, alles zu erklären. Erklärungen sind in  unserem Fall nicht mehr nötig.« Ich bestand darauf, ich könne nur unter den Bedingungen von logischer Ordnung und Verstehen funktionieren. Ich erinnerte ihn daran, daß ich während der Zeit unserer Verbindung eine drastische Veränderung meiner Persönlichkeit durchgemacht hätte und daß diese Veränderung nur unter der Voraussetzung möglich gewesen sei, daß ich mir die Gründe dafür erklären konnte. Don Juan lachte leise. Lange sagte er kein Wort. »Du bist sehr klug«, sagte er schließlich. »Du kehrst dorthin zurück, wo du immer schon warst. Diesmal aber bist du am Ende. Du hast nichts mehr, wohin du zurückgehen kannst. Ich werde dir nichts mehr erklären. Was Genaro gestern auch immer mit dir gemacht haben mag, er machte es mit deinem Körper, laß also deinen Körper entscheiden, was was ist.« Don Juans Ton war freundlich, aber ungewöhnlich gleichgültig, und dies bewirkte, daß ich eine überwältigende Einsamkeit empfand. Ich brachte meine Traurigkeit zum Ausdruck. Er lächelte. Behutsam berührte er meine Hand.
    »Wir beide sind Wesen, die sterben werden«, sagte er sanft. »Wir haben keine Zeit mehr für das, was wir bisher taten. Jetzt mußt du all das Nicht-tun anwenden, das ich dich lehrte, und die Welt anhalten.«
    Wieder umfaßte er meine Hand. Seine Berührung war fest und freundlich; sie war wie eine Versicherung, daß er an mir Anteil nahm und mich gern hatte; gleichzeitig hinterließ sie bei mir den Eindruck unbeirrbarer Entschlossenheit. »Dies ist mein Zeichen für dich«, sagte er und hielt meine Hand einen Moment fest im Griff. »Jetzt mußt du allein in jene freundlichen Berge gehen.« Er wies mit dem Kinn auf die ferne Bergkette im Südosten.
    Er sagte, ich müsse dort bleiben, bis mein Körper mir befehlen würde, aufzubrechen und zu ihm zurückzukehren. Während er mich sanft zu meinem Auto schob, gab er mir zu verstehen, daß er nicht wünsche, daß ich noch etwas sagte oder mich noch länger aufhielte.
    »Was soll ich dort tun?« fragte ich.
    Er antwortete nicht, sondern sah mich kopfschüttelnd an. »Nichts mehr davon«, sagte er schließlich. Dann wies er mit dem Finger nach Südosten. »Geh dorthin«, sagte er scharf.
    Ich fuhr nach Süden und dann nach Osten, den Straßen folgend, die ich immer mit Don Juan gefahren war. Ich parkte den Wagen, an der Stelle, wo die Landstraße endete, und dann wanderte ich auf den bekannten Pfaden, bis ich ein Hochplateau erreichte. Ich hatte keine Ahnung, was ich hier tun sollte. Ich begann, nach einem  Rastplatz suchend, umherzuwandern. Plötzlich gewahrte ich links von mir eine kleine flache Stelle. Sie sah so aus, als hätte der Boden dort eine andere chemische Zusammensetzung, doch wenn ich scharf hinschaute, dann war nichts zu erkennen, was den Unterschied verursacht haben konnte. Ich stand ein paar Meter entfernt und versuchte etwas zu »fühlen«, wie Don Juan es mir immer empfohlen hatte. Etwa eine Stunde lang stand ich reglos da. Mein Denken verebbte allmählich, bis ich schließlich nicht mehr mit mir selbst sprach. Dann

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