Reise ohne Ende
verlassen.
Ich hätte trotzdem merken müssen, wie verzweifelt sie war.“ Sie sah, selbst voller Verzweiflung, auf die bewußtlose Frau herab. „Das schlimmste ist ja, daß wir jetzt, da ein Planet erschlossen werden soll, die eine volle Arbeitskraft nicht entbehren können, die für den Tank notwendig ist. Es wäre für sie jetzt am besten, wenn wir sie in den Regenerationstank stecken würden, bevor sie das Bewußtsein wiedererlangt.
Wenn sie ein Jahr in elektronischem Schlaf liegen würde, könnte es ihr gelingen, all ihre emotionellen Probleme in ihrem Unterbewußtsein zu integrieren – von der Tatsache ganz zu schweigen, daß mit einer neuen Hand ihr schwerstes Problem gelöst wäre. Sogar unser Nachschub ist knapp, bis der Konverter wieder voll beschickt ist. Wenn das Landungsteam aber runtergeht, bekommen wir für den Tank Nachschub.
Vielleicht sollten wir sie freistellen – wenn sie tot wäre, müßten wir auch ohne sie auskommen.“ Wieder lächelte sie bitter und sagte: „Vielleicht wollte sie uns genau das demonstrieren – wenn sie tot wäre, stünde uns ihre Arbeitskraft tatsächlich nicht mehr zur Verfügung… also können wir auch ohne sie auskommen, während sie im Tank liegt.“ Sie sah auf und sagte: „Sie ist wieder wach. Geh zu ihr und sprich mit ihr, Gildoran.“
Gilmerrit aber fing nur an zu weinen, hilflos zu weinen, und lehnte es völlig ab, mit Gildoran zu sprechen.
Ich nehme es ihr nicht übel, dachte er. Ich nehme es ihr nicht übel.
„Warum hast du uns das angetan, Liebste? Weißt du nicht, wie sehr wir dich brauchen?“
Es brach in einem Wutschrei aus ihr heraus: „Ihr empfindet nicht das Geringste für mich! Euch interessiert doch nur, was ich für euch tun kann, meine Arbeit hier! Euch ist es egal, wie ich hier leben muß, mit dem hier…“ Sie versuchte, ihre deformierte Hand zu heben, aber sie war noch an den Operationstisch geschnallt. „Euch ist doch nur ein lebender, atmender Körper wichtig, der die Arbeit in seiner Schicht tut…“
„Das ist nicht wahr, Liebling, das ist nicht wahr“, beruhigte sie Gildoran und streichelte ihr Haar, als sei sie so alt wie Gilmarina. Sie schloß die Augen unter seiner Hand und begann zu weinen.
„Du liebst mich nicht. Das kannst du einfach nicht, so jemanden wie mich zu lieben…“
„Sie bestraft uns“, sagte Rushka später unter einem Seufzer, nachdem die Patientin eingeschlafen war. „Sie bestraft uns dafür, daß wir sie zwingen, so zu leben, und sie hat natürlich recht. Wir werden sie in den Tank bringen müssen, oder wir verlieren sie auf jeden Fall. Oh, so etwas versucht sie vielleicht nicht wieder, aber die erste kleine Infektion oder ein harmloser Unfall wird sie dahinraffen, weil sie den Lebenswillen verloren hat.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich war dagegen, daß die Welt da draußen erschlossen wird“, sagte sie. „Ich dachte, das würde sich auch dann nicht lohnen, wenn wir an das Transmitternetz angeschlossen werden. Jetzt aber hoffe ich – Kosmos, wie ich das hoffe –, daß es uns gelingen wird, sie zu öffnen. Wir müssen einen Weg finden, wie wir Gilmerrit für ein Jahr vom Dienst freistellen können, damit wir der armen Frau ihre Hand wiedergeben können. So kann sie nicht endlos weitermachen.“ Das glatte, alterslose Gesicht der Psychologin wirkte zusammengezogen und sorgenvoll. „Wenn wir ihr dieses Jahr für die Heilung nicht zugestehen, nach alldem, was sie uns gegeben hat, dann wird sie sterben. Irgendwie, irgendwie müssen wir es schaffen. Gilnosta hat es geschafft, während Gilmarina im Tank lag. Wir hätten Merrit zur gleichen Zeit hineinlegen sollen. Mit der Gebühr für die Welt dort unten –
wie nennt Mario sie, Sturm? – können wir es vielleicht eher früher als später erreichen.“
Das Team war gelandet. Gildoran hatte gehofft, daß auch er dazu eingeteilt werden würde, aber das Team war kleiner als gewöhnlich, da sie zu wenig Leute hatten, und Gilraban, der sich sowieso für den Planeten ausgesprochen hatte, wollte dabeisein. Gildoran saß im Meditationszentrum und versuchte, Ruhe in seine Gedanken zu bringen, über die unendliche Größe des Kosmos zu meditieren. So sehr er sich aber auch anstrengte, alles andere aus seinen Gedanken zu verscheuchen, gelang es ihm doch nicht, in seinem Innern einen ruhenden Pol zu schaffen. Gilmerrit, Ramie und alle seine anderen Sorgen rasten in seinem Kopf umher. Schließlich gab er es auf, ging auf Zehenspitzen an den anderen
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