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Reise ohne Ende

Reise ohne Ende

Titel: Reise ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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hierherzukommen, wenn du die Brücke eine Minute übernimmst.“ Die alte Frau drückte auf die Knöpfe und verzog ihr Gesicht. „Was ist denn mit der Sprechanlage los? Die Wartung sollte sich darum kümmern; ich höre nur Rauschen.
    Soll ich hinuntergehen und nachsehen, was da nicht stimmt, Doran?“
    „Ja. Ich übernehme die Brücke.“ Er gab die formale Bestätigung, trat an den Sichtschirm und schaute mit gerunzelter Stirn auf die öde Kugel von Sturm unter ihnen, die dünnen Polkappen aus Eis und die kahle, sturmgepeitschte Oberfläche. Er spürte ein Gefühl in sich, das zu formlos für Angst war.
    Die Zeit verging, aber Gilmarti kam nicht zurück. Andere Mannschaftsmitglieder der Samtfalter kamen und gingen, aber weder der Kapitän noch Gilraban, noch, wie sich Gildoran plötzlich klarmachte, irgendein anderes Mitglied der Landungsmannschaft ließen sich blicken. Plötzlich ertönte ein Summen, und eine Stimme meldete sich vor einem Hintergrund von statischem Rauschen:
    „Gilban… Arzt… Brücke…“
    „Wir können dich nicht verstehen, Gilban“, sagte Gildoran, ging zum Kapitänssessel und legte den Hauptschalter für die Sprechanlage um. „Kannst du deinen Spruch noch einmal deutlicher wiederholen?“
    Heftiges Rauschen. „Hier unten… Merrit…“
    Gildoran sah sich hastig um. Er war im Augenblick der älteste Offizier auf der Brücke. „Lori…“

    Gilori sagte schnell: „Ich übernehme die Brücke“, und Gildoran hastete zur Krankenabteilung hinunter. Gilban kam ihm mit einem Atemgerät vor dem Gesicht entgegengerannt und bedeutete ihm mit Handbewegungen, er solle nicht zu nahe kommen.
    „Du mußt Gilmerrit hier herausholen. Sofort. Sie darf sich nicht anstecken.“
    Schrecken überflutete Gildoran. Der Fall, den jedes Mannschaftsmitglied der Samtfalter – jedes Mitglied jedes Späherschiffs – mehr als alles andere fürchtete, war eingetreten: eine unbekannte Seuche. Er verstand schon, bevor Gilban zu ihm sagte: „Das habe ich befürchtet, als ich Gilmarlo heute morgen gesehen habe. Sie lag zitternd in ihrer Koje, und ich dachte, sie hätte sich vielleicht eine Lungenentzündung durch die Kälte gestern geholt und habe sie deshalb hierherschaffen lassen. Dann kam Gilraban bei mir hereingestolpert. Er hat mir gesagt, daß ihm kalt sei und sterbenselend. Dann sind sie nacheinander alle hergekommen, und was das schlimmste ist: Gilbarni hat es auch, was auch immer es ist. Sie hat in der letzten Nacht mit Gilbeth im gleichen Bett geschlafen, also muß es ansteckend sein.
    Vielleicht nicht sehr stark, sonst hätten sich alle angesteckt, die gestern den Bericht gehört haben, darunter auch du und ich.
    Das erste Symptom scheint ein Gefühl unüberwindlicher Kälte zu sein. Mir scheint es gutzugehen, aber ich gehe kein Risiko ein, bevor ich nicht weiß, wie es sich ausbreitet.“ Er berührte sein Atemgerät. „Wie geht es dir, Doran?“
    „Mir geht es gut“, sagte Gildoran, und es war nicht Kälte, die ihm Schauer über den Rücken jagte. Der hochgewachsene Arzt sagte ruhig: „Wir müssen Gilmerrit hier herausschaffen. Wenn sie sich damit infiziert, dann überlebt sie es nicht. Ihr Lebenswille ist jetzt schon zu schwach. Möchtest du sie mit in dein Quartier nehmen? Bleib bei ihr, wenn du willst, oder hole Gilrushka, aber allein sollte sie nicht bleiben.“ Er drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage, hörte aber nichts als Rauschen. „Ausgerechnet jetzt muß die Sprechanlage ausfallen! Doran, wenn du Merrit versorgt hast, geh zur Kinderstation hoch. Geh nicht hinein – du hast Berührung mit der Sache gehabt. Unterrichte Ramie und…“ – er runzelte die Stirn – „…alle, die gestern nicht im großen Saal waren, sie sollen sich in der Kinderstation mit den Kleinen verbarrikadieren, und sie sollen dort bleiben. Geh auf keinen Fall hinein, laß niemanden sonst hinein und laß sie nicht heraus
    – bis wir sicher sind, daß wir diese Angelegenheit unter Kontrolle oder eine Heilung gefunden haben.“ Gildoran gehorchte mit ernstem Gesicht. Das waren die Standardanweisungen für den Seuchenfall. Solange er oder irgendein anderes Mannschaftsmitglied der Samtfalter lebte, war dieser Fall noch nicht eingetreten, aber vor einigen tausend Jahren Schiffszeit hatte sich so etwas ereignet. Die Kinder waren in ihrer Station verbarrikadiert worden, und als an Bord alle tot waren, hatten die Kinder, die wenigen Überlebenden in der Kinderstation und die Puhbären in Raumanzügen die Leichen

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