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Reise ohne Ende

Reise ohne Ende

Titel: Reise ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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nicht den Kopf von dem bunten Tuch, auf dem er mißmutig ein kleines Sortiment von Schälchen und Löffeln ausbreitete. „Dieses Jahr ist das längste, an das ich mich erinnern kann! Ich habe die Tage gezählt – nein, die Stunden!“
    Hinter ihm lachte Gilrae leise. „Der Dienst in der Kinderstation macht dir wohl nicht besonders viel Spaß, Gildoran, oder?“ Er wollte gerade „überhaupt nicht“ sagen, zögerte aber dann und sah zu den vier kleinen Hängematten an der Wand und zu den beiden leeren Haken hinüber. Er hatte keinen Kloß mehr in der Kehle, wenn er zu der Stelle sah, wo sie gewesen waren, aber er empfand noch immer eine allgemeine Traurigkeit. Er war froh darüber, daß sie den beiden Kindern, die nach der DNS-Operation gestorben waren, noch keinen Namen gegeben hatten. Er hätte diese Namen, genau wie das bei Gilmarin der Fall war, nie ohne Trauer aussprechen können. Er sah zu den Kleinen hinüber, die auf dem Boden der Station herumkrochen und sich um einen der Puhbären drängten, zu den drei Vierjährigen, die um ihren niedrigen Tisch geschart waren und eifrig malten.
    „Das würde ich nicht sagen“, meinte er zögernd, „aber einsam ist es hier unten. Ich bin froh, wenn ich wieder zu der Schiffsroutine zurückkomme und wichtige Arbeit mache.“ Gilrae schüttelte den Kopf. „Das hier ist die wichtigste Arbeit, die es gibt, Doran. Diese Kinder – die Babys – werden dich ihr ganzes Leben lang als die perfekte Person, ais ihr zentrales Vorbild im Kopf behalten.“
    „Die armen Kinder“, sagte er und lachte.
    „Nein, das meine ich ernst. Das ist ein Grund dafür, daß wir eine besondere Stelle für die Kinderstation eingerichtet haben und daß hier unten so oft Leute helfen. Wer aber hier in der Kinderstation Dienst hat, wenn eine neue Lieferung Babys kommt, das ist derjenige – oder diejenige, manchmal ist es ja auch eine Frau –, den sie alle als das perfekte Modell des Erwachsenen internalisieren.“
    „Jetzt hör aber mal zu“, spottete er. „Dazu sind sie doch sicher zu jung! Sogar sprechen können erst ein oder zwei, und wenn ich eines über Kinderpsychologie gelernt habe, dann dieses eine, daß das Denken der Spracherwerbung folgt und nicht umgekehrt.“
    Gilrae schüttelte den Kopf. „Stimmt nicht. Die fangen mit dem Spracherwerb mindestens sechs Monate früher an, bevor sie ein einziges Wort sagen. Das ist auch der Grund, warum wir sie nicht den Puhbären überlassen, denn sonst würden sie als Puhbären mit menschlichen Körpern aufwachsen. Wenn sie zu Menschen heranwachsen sollen, dann müssen sie engen Kontakt und direkte Beziehungen zu Menschen haben, und anscheinend brauchen sie eine Eins-zu-Eins-Beziehung. Wenn man sie zu lange sich selbst überläßt, dann bekommen sie für sich nur die Wertvorstellungen der Gruppe und keine erwachsenen Wertvorstellungen mit. Wir müssen sie mit den Wertvorstellungen der Erwachsenen erziehen, weil sie sonst ihren richtigen Platz in dem Beziehungsnetz der Mannschaft nicht finden.“ Sie sah auf die Uhr und sagte: „Ich muß nach oben zu den Wechselzeremonien. Doran, unter uns: Ich bin auch froh, daß der Wechseltag da ist. Gilharrad ist einfach zu alt für das Amt des Jahreskapitäns. Ich hatte schon vor zwei Jahren damit gerechnet, daß er zurücktritt und den Wanderstatus annimmt. Ich weiß nicht, wie wir es geschafft hätten, wenn wir dieses Jahr einen neuen Planeten gefunden hätten.“
    Gildoran nickte nur – es wäre schlechtes Benehmen gewesen, wenn jemand in seinem Alter einen Kommentar über die Kompetenz oder Nichtkompetenz des Jahreskapitäns abgegeben hätte, besonders wenn er so alt und ehrwürdig wie Gilharrad war. Gildoran hatte noch nicht einmal die Qualifikation für die Kapitänswürde, und seine Identitätsscheibe wurde an der jährlichen Verlosung noch nicht beteiligt. Er konnte Gilrae aber zustimmen, ohne unhöflich zu sein.
    Wie das oft vorkam, schien Gilrae seine Gedanken lesen zu können. „Es dauert nicht mehr lange, dann stehst du auch auf der Kapitänsliste“, sagte sie. „Ich glaube, du wirst eines Tages einen guten Kapitän abgeben.“ Sie sah auf die Reihe von Schälchen, die er aufstellte. „Eigentlich ist es schade, daß du die Zeremonie verpaßt…“
    „An der Zeremonie liegt mir nichts, ich will jetzt sofort wissen, was ich im nächsten Jahr für Aufgaben haben werde“, brummte Gildoran. Er sah nicht ein, warum nicht die Puhbären den Kindern ihr Essen geben konnten.
    „Na ja, es gibt

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