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Reise ohne Wiederkehr

Reise ohne Wiederkehr

Titel: Reise ohne Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna R. Unger
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Einsteins Schriften mit denen anderer „undeut scher “ Schriftsteller und Wissenschaftler vor der Berliner Universität verbrannt. All diese Erfahrungen bestätigten Einstein in seiner Kritik an der deutschen Gesellschaft. Umso mehr stellten die USA eine Verheißung für ihn dar. „Sie werden sehen, wie wunderbar es sich hier lebt und arbeitet. Es ist ein großes Glück, hiersein zu dürfen. Ich beglückwünsche Sie“, soll er einem jungen, aus Deutschland geflohenen Studenten gesagt haben, den er in den Vereinigten Staaten traf. 21 Einstein kappte die Kontakte zu seinen deutschen Kollegen und konzentrierte sich sowohl sozial als auch beruflich ganz auf die Vereinigten Staaten.
    Von 1933 bis 1945 lehrte und forschte er am Institute for Advanced Study in Princeton. Parallel zu seiner wissenschaftlichen Arbeit setzte er sich für die Ausreise deutscher und österreichischer |64| Juden aus Europa ein, hielt Reden und Vorträge, um Gelder zur Unterstützung der Flüchtlinge zu sammeln, bemühte sich um die Freilassung des Friedensnobelpreisträgers Carl von Ossietzky aus dem Konzentrationslager und beteiligte sich an den politischen Aktivitäten verschiedener Exilorganisationen.
    Mit Kriegsbeginn erhielt Einsteins wissenschaftliche Expertise weltpolitische Bedeutung: Amerikanische Wissenschaftler befürchteten, dass ihre deutschen Kollegen die kurz zuvor gelungene Spaltung von Uran dazu nutzen könnten, eine überaus zerstörerische Bombe zu entwickeln. Zusammen mit seinem Kollegen Leo Szilard forderte Einstein darum 1940 Präsident Roosevelt auf, den Deutschen zuvorzukommen. Die US-Regierung reagierte mit der Etablierung des „Manhattan Project“, dessen Ergebnis die Atombomben waren, die über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden. Einstein, dessen Relativitätstheorie den Grundstein für die Atomspaltung gelegt hatte, war selbst nicht am Manhattan Project beteiligt. Vielmehr engagierte er sich im Emergency Committee of Atomic Scientists, um die Verbreitung von Atomwaffen auf internationaler ziviler Ebene zu kontrollieren. Zugleich wurde er im pazifistischen World Government Movement aktiv, das den Rüstungswettlauf zwischen Ost und West im Kalten Krieg stoppen und die ideologischen und machtpolitischen Differenzen überwinden wollte, und unterstützte die neugegründeten Vereinten Nationen. Das Angebot, Israels Präsidentschaft zu übernehmen, lehnte er allerdings 1952 ab.
     
    Exil in der Türkei
     
    Einsteins Karriere ist keineswegs typisch für die Erfahrungen der deutschsprachigen Exilanten, doch auch weniger berühmten Wissenschaftlern als dem Nobelpreisträger gelang es, Positionen an Forschungseinrichtungen und Universitäten bzw. als Experten und Berater zu erhalten. Für Natur- und Wirtschaftswissenschaftler, Mediziner, Ingenieure und Verwaltungswissenschaftler bot die Türkei besonders gute Bedingungen. Ministerpräsident Atatürk und die Republikanische |65| Volkspartei, deren Ziel es war, die Türkei in eine demokratische Industriegesellschaft zu verwandeln, hatten großes Interesse an den Kenntnissen und Fähigkeiten der deutschen Spezialisten. Jene wiederum gingen bereitwillig in die Türkei, weil die ihnen gebotenen Lebens- und Arbeitsbedingungen dort im Vergleich zu anderen Exilländern außerordentlich gut waren. Die besondere Situation der Türkei erlaubte es den Exilanten, großen Einfluss auf die Gestaltung der türkischen Wissenschaft, Politik und Verwaltung zu nehmen.
    Der Wirtschafts- und Agrarwissenschaftler Fritz Baade (geboren 1893 in Neuruppin, gestorben 1974 in Kiel), ehemals Vertreter der SPD im Reichstag, beriet die Atatürk-Regierung in Fragen der Landwirtschafts- und Verwaltungsreform. Ernst Reuter (geboren 1889 in Apenrade, Dänemark, gestorben 1953 in Berlin) leitete die Ausbildung von Kommunalbeamten in Istanbul. 22
    Reuter hatte in den frühen Nachkriegsjahren Karriere in der KPD gemacht, deren Generalsekretär er 1921 wurde. Allerdings kam es nur ein Jahr später zum Bruch mit den Kommunisten, woraufhin er sich den Sozialdemokraten anschloss und als Redakteur beim
Vorwärts
arbeitete. 1926, als Stadtrat für Verkehr in Berlin, trieb Reuter die Gründung der Berliner Verkehrsbetriebe voran. 1931 wurde er zum Oberbürgermeister der Stadt Magdeburg gewählt. Er engagierte sich sozialpolitisch, um die Situation der Arbeiter zu verbessern, und arbeitete gleichzeitig (auch in seiner Eigenschaft als SPD-Abgeordneter im Reichstag) gegen den wachsenden Einfluss der

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