Reise ohne Wiederkehr
Wasser. Eine Zeitlang teilte er sich ein Hotelzimmer mit dem bekannten österreichischen Schauspieler Peter Lorre (geboren 1904 im österreichungarischen Rózsahegy, gestorben 1964 in Los Angeles), der ebenfalls aus Europa geflohen war. Zwischendurch musste Wilder nach Mexiko ausreisen, weil sein amerikanisches Visum abgelaufen war; schließlich erhielt er ein dauerhaftes Visum, sodass er sich in Hollywood niederlassen konnte. Für die Filmgesellschaft Paramount schrieb er Skripte, von denen einige akzeptiert und viele abgelehnt wurden. Erst ab 1938 hatte er größere Erfolge. In Kooperation mit dem bekannten Drehbuchautor Charles Brackett schrieb er Skripte für Filme wie
Ninotchka
(mit Greta Garbo in der Hauptrolle) und
Hold Back the Dawn
, die Ernst Lubitsch (geboren 1892 in Berlin, gestorben 1947 in Los Angeles) verfilmte. Lubitsch war bereits in den Zwanzigerjahren aus Berlin |60| in die USA gekommen und hatte dort als Regisseur Berühmtheit erlangt. Anders als Lubitsch hatte Wilder vor seiner Zeit in Hollywood noch nie Regie geführt, doch diese Gelegenheit erhielt er Anfang der Vierzigerjahre. Sein erster „eigener“ Film war die 1942 gedrehte, überaus erfolgreiche Komödie
The Major and the Minor
, gefolgt von
Five Graves to Cairo
(1943), der auf den Afrika-Feldzug unter General Erwin Rommel anspielte. Einen der größten Erfolge hatte Wilder als Regisseur mit
Double Indemnity
(1944), für den er mit dem Krimiautor Raymond Chandler zusammenarbeitete; der
film noir
mit Barbara Stanwyck in der Hauptrolle wurde für sieben Oskars nominiert. Deutschsprachige Exilanten – neben Wilder vor allem Fritz Lang (geboren 1890 in Wien, gestorben 1976 in Los Angeles) und Otto Preminger (geboren 1905 in Wien, gestorben 1986 in New York City) – beeinflussten den amerikanischen
film noir
ganz wesentlich. Sie verliehen dem Genre seine „dunkle Seite, eine pessimistische Sicht des modernen Großstadtlebens“, die, so lässt sich vermuten, u. a. in der von Krieg und Wirtschaftskrisen geprägten „europäischen Weltanschauung“ wurzelte. 18
Neben seiner künstlerischen Begabung und seiner Fähigkeit, sich in unterschiedlichen Gesellschaften zurechtzufinden, profitierte Billy Wilder davon, dass zwischen der deutschen und der amerikanischen Filmindustrie bereits in den Zwanzigerjahren enge Kooperationsbeziehungen bestanden hatten. Aus diesem Grund konnten die Emigranten auf persönliche Kontakte und professionelle Erfahrungen zurückgreifen. Außerdem war den amerikanischen Filmfirmen daran gelegen, die Konkurrenz in Europa zu neutralisieren, und das gelang ihnen dadurch, dass sie die potenziellen Konkurrenten für sich gewannen. In den Dreißiger- und Vierzigerjahren expandierte Hollywood immer weiter, sodass – trotz kritischer Stimmen, die besagten, dass die Exilanten amerikanische Arbeitsplätze besetzten – auch für Flüchtlinge zahlreiche Positionen vorhanden waren. Die Qualität dieser Stellen schwankte jedoch. Etliche Filmexilanten mussten ihre Tätigkeit in Hollywood auf „europäische“ Kostümfilme beschränken, weil ihr Akzent zu stark war und ihr Stil nicht den amerikanischen Erwartungen an Schauspiel und Dramaturgie entsprach. Dies änderte sich zeitweilig, |61| als mit Kriegseintritt der USA eine große Zahl an Anti-Nazi-Filmen gedreht wurde, in denen „echte Deutsche“ als SS-Offiziere, Gestapo-Agenten und Widerständler vorkamen.
Eines der berühmtesten Beispiele dafür ist Fritz Langs Film
Hangman Also Die
(1943), der den tschechoslowakischen Widerstand gegen die Nationalsozialisten behandelt. Das Attentat auf Reinhard Heydrich, den stellvertretenden Reichsprotektor des „Protektorats Böhmen und Mähren“, im Mai 1942 stellte die historische Grundlage des Filmes dar.
Hangman Also Die
war ein Gemeinschaftswerk mehrerer in Hollywood versammelter Exilanten: Das Drehbuch schrieb Bertolt Brecht (geboren 1898 in Augsburg, gestorben 1956 in Ost-Berlin), die Filmmusik komponierte Hanns Eisler. Artur Guttmann, ein bekannter Wiener Dirigent und Komponist von Filmmusik, dirigierte das Orchester, und der österreichische Produzent Arnold Pressburger finanzierte den Film. Des authentischen Charakters halber übernahmen deutschsprachige jüdische Schauspieler die Rolle der Deutschen; die Tschechen – im Film die
good guys
– wurden von Amerikanern gespielt.
Wissenschaft und Forschung
Das Exil konnte etablierte Karrieren beenden oder ihnen neuen Aufschwung in eine andere Richtung geben; in
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