Reise ohne Wiederkehr
Churchill, Stalin und Roosevelt getroffene Vereinbarung über die Besatzung und Kontrolle Deutschlands sowie über die materiellen Reparationen unzumutbar, während andere diese Schritte als unumgänglich für die demokratische Erneuerung akzeptierten. Mit dem Potsdamer Abkommen vom August 1945 kam es dann zum endgültigen Bruch innerhalb des Council. Diejenigen, die Sympathien für den Kommunismus hegten, weigerten sich, eine Deklaration zu verabschieden, in der jene Elemente des Abkommens kritisiert wurden, die aus deutscher Sicht nachteilig erschienen (vor allem die vorläufige Festlegung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze). An den Konflikten innerhalb des Council zeigt sich, dass die verschiedenen politischen Positionen |102| der Exilanten nicht durch die Erfahrung des Exils neutralisiert wurden. Sie existierten vielfach weiter, und zwar meist in direkter Fortsetzung der Weimarer Argumente.
Paul Tillich
Paul Tillich gilt als einer der einflussreichsten protestantischen Theologen des 20. Jahrhunderts. Nach seinem Theologie- und Philosophiestudium in Berlin, Tübingen und Halle wurde er ordiniert und war während des Ersten Weltkriegs als Feldgeistlicher tätig. Die Erfahrung des Krieges stärkte seine sozialistischen Sympathien. Er habilitierte sich 1916 und lehrte in den folgenden Jahren an verschiedenen deutschen Hochschulen. 1933 veröffentlichte er Die sozialistische Entscheidung, in der er sich offen gegen die Nationalsozialisten stellte. In den USA wurde er bald bekannt und war ein gefragter Redner. 1955 erhielt er eine Stelle an der Harvard University, Anfang der Sechzigerjahre ging er an die University of Chicago; hier beendete er sein dreibändiges Werk zur systematischen Theologie.
Die Sozialdemokratie im Exil
Dies traf auch auf die deutsche Sozialdemokratie zu. Die SPD wurde im Juni 1933 in Deutschland verboten. Schon in den Monaten zuvor waren zahlreiche sozialdemokratische Parlamentarier verhaftet worden; diejenigen, die der Verhaftung entgingen oder entlassen wurden, flohen ins Ausland, vor allem nach Frankreich, ins Saargebiet, in die Tschechoslowakei und die Niederlande sowie nach Schweden. 1935 hatten zwischen fünf- und sechstausend Sozialdemokraten Deutschland verlassen.
Der exilierte Parteivorstand der SPD (SOPADE) – d. h. diejenigen, die nicht verhaftet worden waren, sondern ins Ausland hatten fliehen können – verlegte den Sitz der Partei im Laufe der folgenden Jahre mehrfach, um dem nationalsozialistischen Einfluss zu entgehen: von Berlin nach Saarbrücken nach Prag nach Paris nach London.
Während die Kommunisten aktiven Widerstand praktizierten, konzentrierte sich die SPD im Exil darauf, Auslandsvertretungen und Grenzsekretariate aufzubauen. Diese Stellen gaben oppositionelle Schriften heraus und schmuggelten sie nach Deutschland, um mittels einer „Offensive der Wahrheit“ den deutschen Widerstand gegen die Nationalsozialisten zu fördern und deren Macht zu unterminieren. Finanziert wurde diese Arbeit mit Mitteln, die die SPD kurz nach dem Reichstagsbrand ins Ausland transferiert hatte. Außerdem bemühten sich die exilierten Sozialdemokraten, lokale Widerstandsgruppen sowie die Zusammenarbeit mit den sozialdemokratischen Gruppen im jeweiligen Exilland zu fördern. Versuche, in Zusammenarbeit mit den exilierten Kommunisten und anderen linken Gruppen eine „Volks front “ zu etablieren, um den Widerstand gegen Hitler zu bündeln, scheiterten an gegenseitigem Misstrauen, Meinungsverschiedenheiten und Konkurrenzkämpfen.
|103| Unter dem Eindruck des Krieges gelang es der Exil-SPD in Großbritannien schließlich 1941, die Streitigkeiten mit ehemals konkurrierenden Linksgruppen und Gewerkschaftern zu überwinden und ein sozialdemokratisches Kartell zu begründen. Die Kommunisten waren von dieser Gruppierung allerdings ausgeschlossen, denn ihr politisches Ziel stand immer mehr im Gegensatz zur SPD-Linie: Anstatt mit revolutionären Mitteln einen sozialistischen Staat zu etablieren – so hatte das SOPADE-Ziel noch 1934 gelautet –, stellte die Parteiführung seit 1939 die Ablehnung jeder Form von Diktatur und die Begründung einer pluralistischen Gesellschaftsordnung in den Mittelpunkt ihrer Planungen für die Zeit nach Hitler.
Ein weiterer, eher unbeabsichtigter Wandel fand auf dem Gebiet der Geschlechterpolitik statt: In der Weimarer Republik war es bedingt gelungen, Teile der linken Parteien für geschlechterbedingte Ungleichheiten zu sensibilisieren und
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