Reise ohne Wiederkehr
(geboren 1884 in Lübeck, gestorben 1977 in Eutin) eine Abhandlung über
Federalism and Regionalism in Germany
. Beide Bücher fanden in der Arbeit der US-Besatzungsverwaltung Verwendung.
„Deutsche Hörer!“ –
Thomas Manns Radioaufrufe
Relativ gute Aussichten, noch vor Ende des Krieges an der alliierten Deutschlandpolitik mitzuwirken, hatten Prominente, die Propaganda-Material erstellten. Thomas Mann begann 1940 auf Bitte der BBC, monatliche Aufrufe an die Deutschen in Deutschland zu verfassen, um sie über das Kriegsgeschehen zu informieren und zur Abkehr vom Nationalsozialismus aufzurufen. Mann sagte zu, weil er in solchen Sendungen die Möglichkeit erkannte, auf diese Weise „hinter dem Rücken der Nazi-Regierung“ Kontakt zu den Deutschen aufzunehmen. 61 |106| Er sah in seinen Aufrufen nicht nur eine patriotische Aktivität, sondern auch eine Gelegenheit, sich wieder bemerkbar zu machen; die Nationalsozialisten hatten ihn zwar physisch vertrieben, aber sie konnten ihn nicht mundtot machen, lautete die Botschaft.
Seit Herbst 1940 schrieb Thomas Mann regelmäßig Beiträge, die stets mit der Anrede „Deutsche Hörer!“ begannen. Die Texte las er selbst. Sie wurden in Los Angeles auf Schallplatten aufgezeichnet, nach New York geflogen, dort per Telefon auf eine Schallplatte in London übertragen und von dort nach Deutschland ausgestrahlt. Unter den Nationalsozialisten galt BBC als „Feindsender“, dessen Hören mit dem Tod bestraft werden konnte; dennoch hörten viele Deutsche heimlich die britischen Nachrichten, um sich über den Kriegsverlauf zu informieren. Auf diese Weise vernahmen etliche Hörer Thomas Manns Plädoyers, sich die verbrecherischen Ausmaße des Krieges klarzumachen, seine Aussichtslosigkeit zu erkennen und Hitler nicht länger zu unterstützen. Zwar gestand sich der Autor bald ein, dass es unrealistisch sei, die Deutschen „zur Abschüttelung des Nazijoches, bevor es zu spät ist, zu ermahnen“, denn er habe eingesehen, „dass das dem deutschen Volke physisch nicht möglich ist“. 62 Umso wichtiger war es ihm, den Deutschen, die seine Sendungen hörten, das Ausmaß der Brutalität und Illegitimität der nationalsozialistischen Herrschaft klarzumachen.
Je mehr Informationen über die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden in den Ghettos und Konzentrationslagern bekannt wurden, desto häufiger wies Thomas Mann in seinen Aufrufen auf diese Verbrechen hin. Im Februar 1942, als Fotos aus dem Warschauer Ghetto in westlichen Zeitungen abgedruckt wurden, sprach er ungeschönt über „die geblähten Hungerleichen der polnischen Kinder, die fürs Massengrab zusammengeschmissenen Körper der tausend und abertausend im Warschauer Ghetto an Typhus, Cholera und Schwindsucht verendeten Juden“. 63 Ein halbes Jahr später benannte er die „Aus rottung der Juden“ und berichtete von der brutalen Ermordung von mindestens 700 000 Juden in Ostmitteleuropa. „Wisst Ihr Deutsche das? Und wie findet Ihr es?“, provozierte Mann seine Hörerschaft. 64 Nur, wenn sich die deutsche Gesellschaft ernsthaft mit der in ihrem |107| Namen begangenen Gewalt auseinandersetze und die Verantwortung für sie übernehme, habe sie Aussicht auf einen Neubeginn, ermahnte Mann die Deutschen Anfang 1945 und warnte sie davor, dem Selbstmitleid zu verfallen. 65
Wie viele Menschen die Aufrufe hörten und welche Wirkung sie hatten, lässt sich nur schwer ermitteln. Es ist anzunehmen, dass die Hörer vor allem jene waren, die das NS-Regime ohnehin ablehnten und sich von Mann bestärkt fühlten. Andere fanden sich vermutlich durch seine unverhohlene Kritik an der Feigheit der Deutschen und seine moralische Anklage in ihrer Abneigung gegen den Autor bestätigt.
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|109| RÜCKKEHR IN DIE ALTE HEIMAT
Das Ende des Zweiten Weltkriegs und
der Sturz des NS-Regimes eröffneten
den Exilanten prinzipiell die Möglichkeit,
in ihre frühere Heimat zurückzukehren.
Letztlich entschieden sich nur
relativ wenige für diesen Schritt, doch
einige Remigranten nahmen großen
Einfluss auf die Gestaltung der beiden
deutschen Nachkriegsgesellschaften.
|110| „Messieurs, man muss zurückkehren“
D ie Frage der Rückkehr in die ehemalige Heimat war in Exilantenkreisen ein Politikum. Für viele war die Idee unvorstellbar, in das Land zurückzukehren, das sie vertrieben, ihre Familien und Freunde verfolgt und ermordet hatte. Auch Angebote aus Deutschland, die während
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