Reise ohne Wiederkehr
vertreten. Die geringste Zahl der Betroffenen |117| waren überzeugte Kommunisten. Bei den meisten handelte es sich um Personen, die zwar linksgerichtete Positionen vertraten oder einmal vertreten hatten, keineswegs aber versuchten, den amerikanischen Staat zu unterminieren, wie die antikommunistische Propaganda von Senator Joseph McCarthy behauptete. Er initiierte eine Gesetzgebung, die es öffentlichen Einrichtungen vorschrieb, ihre Mitarbeiter auf ihre politische „Zuverlässigkeit“ hin zu überprüfen. Etliche Firmen, Organisationen, Hochschulen und andere Einrichtungen nahmen solche Prüfungen freiwillig vor, um sich gegen mögliche Anschuldigungen zu schützen, dass sie Kommunisten beherbergten und folglich selbst kommunistisch seien. Die US-Geheimdienste bespitzelten „Verdächtige“ und versuchten „Geständnisse“ zu erpressen. Das amerikanische Abgeordnetenhaus veranstaltete Anhörungen vor dem sogenannten House Un-American Activities Committee, vor dem vermeintliche Kommunisten aussagen mussten. Viele deutsche Exilanten gerieten ins Visier der Antikommunisten und wurden vom Federal Bureau of Intelligence (FBI) bespitzelt – so auch Erika Mann, die deshalb 1952 die USA verließ.
Bereits während des Krieges war Erika Mann als Presseoffizierin der US-Armee nach Ägypten, Persien, Palästina und gegen Kriegsende nach Frankreich, Belgien und Deutschland gereist. Später hatte sie für die amerikanische Presse über die Nürnberger Prozesse berichtet. An eine vollständige Rückkehr nach Deutschland dachte sie jedoch nicht, sondern versuchte, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Dass sie 1947 von der US-Regierung für ihre Verdienste während des Krieges ausgezeichnet wurde, musste ermutigend wirken. Doch kurze Zeit später veränderten sich die innenpolitischen und familiären Bedingungen dramatisch. Ihr Bruder Klaus, mit dem sie eine überaus enge Beziehung verband, nahm sich 1949 das Leben. Gleichzeitig intensivierten sich die öffentlichen und geheimdienstlichen Verdächtigungen über ihre politische und sexuelle Orientierung. Das FBI hatte schon 1943 ein Dossier über sie angelegt, dessen Inhalt ihre Bemühungen um Einbürgerung behinderte. Unterdessen wurde sie in der Bundesrepublik als „kommunistische Agentin“ diffamiert. Der Umzug in die Schweiz erschien in dieser Situation der einzige Ausweg. Dort wirkte Erika Mann als Assistentin ihres Vaters und nach dessen Tod als Nachlassverwalterin. 10
Wie Erika Mann hatten viele linksorientierte Exilanten Schwierigkeiten, ihre Arbeitsverträge zu verlängern oder die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Die Rückkehr in die frühere Heimat bedeutete deshalb für einige eine Art zweite Flucht. Das gilt besonders für den Komponisten Hanns Eisler, der den amerikanischen Behörden aufgrund seines offenen Bekenntnisses zum Kommunismus schon lang ein Dorn im Auge war. Ab 1947 wurde er mehrfach verhört. Zuvor hatte ihn seine Schwester, Ruth Fischer – eine ehemals führende Kommunistin, die in der Emigration zur scharfen Antikommunistin geworden war –, in mehreren Artikeln als Agent der Komintern bezeichnet. Obwohl Eisler öffentliche Unterstützung von Prominenten wie Charlie |119| Chaplin, Aaron Copland, Pablo Picasso und Albert Einstein erhielt und sogar ein Committee for Justice for Hanns Eisler gegründet wurde, musste er sich im März 1948 der amerikanischen Einwanderungsbehörde fügen, die seine „freiwillige“ Ausreise anordnete. Eisler ging erst nach Wien, dann nach Ost-Berlin. Hier stellte er sich und seine Arbeit ganz in den Dienst des in der Entstehung begriffenen sozialistischen Staates. Er beteiligte sich an der Gründung der Deutschen Akademie der Künste und lehrte dort sowie an der Hochschule für Musik. Für seine Dienste wurde er mit den höchsten Ehren ausgezeichnet. Als eine Erfolgsgeschichte lässt sich Eislers Wirken in der DDR allerdings kaum deuten. Nach anfänglichen Erfolgen geriet der Komponist zunehmend in Konflikt mit der Staatsmacht, die 1952 ein Opern-Libretto verbot. Größere Werke gelangen ihm danach nur noch selten.
Anna Seghers machte in der Nachkriegszeit eine ähnliche prominente Karriere in der DDR, doch die Grundvoraussetzung war eine andere: Sie war freiwillig und aus Überzeugung in die sowjetische Zone zurückgekehrt, um am Aufbau eines antifaschistischen deutschen Staates mitzuwirken. Im mexikanischen Exil hatte sie, als überzeugte Kommunistin, einen antifaschistischen
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