Reise ohne Wiederkehr
er 1948 das Amt des Regierenden Bürgermeisters von West-Berlin übernahm.
Rückkehr in eine
fremdgewordene Gesellschaft
Diejenigen, die aus ihrem Exil ins weitgehend zerstörte Nachkriegsdeutschland zurückkamen, fanden vielfach chaotische Bedingungen vor. Die politische Lage war aufgrund der Viermächtepolitik und der Teilung Deutschlands überaus kompliziert. Außerdem ergaben sich häufig Probleme durch die Staatenlosigkeit bzw. die in der Zwischenzeit veränderte Staatsangehörigkeit der Exilanten. Unter diesen Umständen mussten sich jene Flüchtlinge, die an eine Rückkehr in ihre frühere Heimat dachten, fragen, welche konkrete Hilfe sie tatsächlich leisten wollten und könnten. Arnold Brecht, ein hoher preußischer Beamter, der 1933 in die USA geflohen und dort an der New School zu einem angesehenen Politikwissenschaftler geworden war, schrieb |113| 1946 an einen Freund, dass er prinzipiell gern am Wiederaufbau mitwirken wolle:
Wenn ich ein Straßenbauer, ein Maschinenbauer, ein technischer Erfinder für Schuttbeseitigung oder eine Dampfwalze wäre, oder einfach ein gesunder kräftiger Mann, der gut schaufeln oder Holz hacken kann, ich wäre gekommen, mit dem ersten Boot. Wenn ich Brot aus Schutt hätte machen können und Schokolade aus alten Naziplakaten, ich wäre geflogen.
Doch als Politikwissenschaftler und Verwaltungsfachmann sah sich Brecht in Deutschland fehl am Platze, und er meinte, es sei sinnvoller, wenn er von den USA aus versuche, Einfluss auf die amerikanische Deutschlandpolitik zu nehmen. 5
Hinzu kam die zum Teil offene Ablehnung, die den Remigranten in der deutschen Gesellschaft entgegenschlug. Thomas Mann führte 1945 mit Walter von Molo und Frank Thiess eine Kontroverse, die bezeichnend für das damalige politische Klima war. Molo und Thiess – und mit ihnen viele andere – vertraten die Auffassung, dass diejenigen, die während der Jahre 1933 bis 1945 nicht in Deutschland gelebt hätten, nicht beanspruchen könnten, über das Verhalten der Deutschen zu urteilen. Die Emigranten wüssten gar nicht, wie es „wirklich gewesen“ sei. Auch ohne das Land zu verlassen hätten sich viele Deutsche vom Nationalsozialismus distanziert, indem sie in die „innere Emigration“ gegangen seien. Darin schwang der Vorwurf an die Exilanten mit, sie hätten die Heimat im Stich gelassen und es sich mit der Flucht leicht gemacht. Thomas Mann wurde außerdem dafür kritisiert, dass er während des Krieges Aufrufe an die deutsche Bevölkerung verfasst und sich damit als intellektueller „Führer“ eines „besseren“ Deutschland profiliert habe, aber nun, nach dem Krieg, nicht zurückkommen und aktiv werden wolle.
Tatsächlich lehnte Mann die Aufforderung, nach Deutschland zurückzukehren, ab. Er glaubte, es sei „die größte Torheit“ seines Lebens, die amerikanische Staatsbürgerschaft und alles, was er sich in |114| Kalifornien erarbeitet habe, aufzugeben, „um nach dem verwüsteten Deutschland eilen“. Er fürchtete, er müsse sich in Deutschland „zum Bannerträger einer mir noch ganz schleierhaften neudeutschen, geistigen Bewegung“ machen lassen und sich in der Politik engagieren, was ihn über kurz oder lang zermürben und ruinieren werde; dafür wollte er sich nicht opfern. 6 Mann betonte, dass er bereit gewesen wäre, nach Deutschland zurückzugehen, wenn die Deutschen ihren Fehler früher begriffen und gehandelt hätten. Die Vorstellung jedoch, einer Gesellschaft beim Neubeginn zu helfen, die ihn vertrieben und zwölf Jahre lang das NS-Regime gestützt hatte, war ihm zuwider. Einige Jahre später kehrte er zwar als Besucher nach Deutschland zurück, aber er ließ sich nicht politisch vereinnahmen. Dass er seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz nahm, war Ausdruck seiner skeptischen Distanz gegenüber den Deutschen, die er bis zu seinem Tod bewahrte.
Remigranten zwischen Ost und West
Nach vielen Jahren im Ausland in eine tief gespaltene, von Krieg und Misstrauen gezeichnete und noch dazu NS-belastete Gesellschaft zurückzukommen und sich wieder einzufinden, war eine große Herausforderung, doch sie gelang einigen Exilanten gegen alle Widerstände. Für diejenigen, die wieder in ihrer Muttersprache schreiben und veröffentlichen wollten, war es naturgemäß reizvoll, nach Deutschland zurückzukehren. Bezeichnenderweise war die Zahl der Schriftstellerinnen, die zurückgingen, weit höher als die der Remigrantinnen insgesamt. Für Frauen, denen es im Exil gelungen
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