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Reisen im Skriptorium

Reisen im Skriptorium

Titel: Reisen im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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gewissen Flood gehört? James P.   Flood. Ein Engländer. Expolizist. Spricht mit Cockney-Akzent.
    Möchten Sie jetzt nicht lieber ihr Mittagessen zu sich nehmen?, fragt Sophie. Es wird ja schon kalt.
    Gleich, faucht Mr.   Blank ärgerlich zurück, weil sie das Thema gewechselt hat. Nur noch einen Moment.Bevor wir zum Essen kommen, erzählen Sie mir bitte alles, was Sie über Flood wissen.
    Ich weiß überhaupt nichts. Ich habe gehört, dass er heute Vormittag hier war, aber ich habe ihn nie kennengelernt.
    Aber Ihr Mann   … Ihr erster Mann, ich meine   … dieser Fanshawe, er hat Bücher geschrieben, richtig? Und in einem davon, es hieß   … verdammt   … ich kann mich nicht mehr an den Titel erinnern.
Never   … Never   …
    Neverland.
    Ja, genau.
Neverland.
Eine der Figuren in dem Buch war Flood, und in Kapitel   … Kapitel dreißig, wenn ich nicht irre, oder vielleicht auch Kapitel sieben, hat Flood einen Traum.
    Daran erinnere ich mich nicht, Mr.   Blank.
    Wollen Sie damit sagen, Sie haben den Roman Ihres Mannes nicht gelesen?
    Nein, ich habe ihn gelesen. Aber das war vor sehr langer Zeit, und seither habe ich nicht mehr in das Buch hineingeschaut. Sie verstehen das wahrscheinlich nicht, aber mit Rücksicht auf meinen Seelenfrieden habe ich mich bewusst entschieden, nicht mehr an Fanshawe und sein Werk zu denken.
    Was hat die Ehe beendet? Ist er gestorben? Haben Sie sich scheiden lassen?
    Als ich ihn geheiratet habe, war ich sehr jung. Wir haben einige Jahre lang zusammengelebt, ich bin schwanger geworden, und dann ist er verschwunden.
    Ist etwas passiert, oder hat er sie mit Vorsatz verlassen?
    Mit Vorsatz.
    Der Mann muss wahnsinnig gewesen sein. Ein schönes junges Ding wie Sie einfach so zu verlassen.
    Fanshawe war ein außerordentlich geplagter Mensch. So viele gute Eigenschaften, so viel Zartheit und Eleganz, und doch wollte er sich im Grunde selbst zerstören, und das ist ihm am Ende auch gelungen. Er hat sich gegen mich gewandt, er hat sich gegen seine Arbeit gewandt, und dann ist er aus seinem Leben ausgestiegen und verschwunden.
    Seine Arbeit. Sie meinen, er hat aufgehört zu schreiben?
    Ja. Er hat alles aufgegeben. Er hatte großes Talent, Mr.   Blank, aber er hat diesen Teil von sich immer mehr verachtet, und eines Tages hat er einfach aufgehört, er hat einfach Schluss gemacht.
    Das war meine Schuld, oder?
    So weit würde ich nicht gehen. Natürlich haben Sie dabei eine Rolle gespielt, aber Sie haben nur getan, was Sie zu tun hatten.
    Sie müssen mich hassen.
    Nein, ich hasse Sie nicht. Ich habe eine harte Zeit durchgemacht, aber dann ist alles ziemlich gut geworden. Ich habe wieder geheiratet, vergessen Sie das nicht, und das war eine gute Ehe, eine langjährige und gute Ehe. Außerdem habe ich meine zwei Söhne, Ben und Paul. Die sind jetzt auch schon erwachsen. Ben istArzt, und Paul studiert Anthropologie. Gar nicht übel, auch wenn ich das selber sage. Ich hoffe, Sie werden die beiden eines Tages kennenlernen. Ich denke, Sie werden sehr stolz sein.

 
    Jetzt sitzen Sophie und Mr.   Blank nebeneinander auf dem Bett vor dem Servierwagen, auf dem Mr.   Blanks Mittagessen steht, die einzelnen Teller jeweils mit einem runden Metalldeckel mit einem Loch in der Mitte abgedeckt. Mr.   Blank hat Appetit bekommen und will endlich anfangen, aber Sophie erklärt ihm, ehe er einen Bissen anrühren dürfe, müsse er zunächst einmal seine Pillen für den Nachmittag nehmen. Trotz des Einverständnisses, das sich in den vergangenen Minuten zwischen ihnen entwickelt hat, und so erfreulich er es findet, so nahe an Sophies üppigem und warmem Körper sitzen zu dürfen, sträubt er sich gegen diese Forderung und schlägt es rundweg ab, die Medikamente zu nehmen. Während die Pillen, die er am Morgen genommen hatte, grün, violett und weiß gewesen waren, sind die, die jetzt auf dem Servierwagen liegen, rosa, rot und orange. Sophie erklärt, dies seien in der Tat andere Pillen, dazu gedacht, andere Wirkungen als die zuvor verabreichten zu erzielen; und wenn er die nicht zusammen mit den anderen nehme, werde die Behandlung misslingen. Mr.   Blank kann der Argumentation folgen, lässt sich aber keineswegs überzeugen, es sich anderszu überlegen, und als Sophie die erste Pille zwischen Daumen und Mittelfinger nimmt und ihm zu geben versucht, schüttelt Mr.   Blank störrisch den Kopf.
    Bitte, fleht Sophie ihn an. Ich weiß, Sie sind hungrig, aber es ist nicht zu ändern, Sie dürfen erst etwas

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