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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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die Richtigkeit der Thatsache bestreite ich nicht; aber wo kommt der viele Schnee her, denn ich sehe nicht ein, wie die gefrorenen Meeresflächen hier die dazu nöthige bedeutende Verdunstung gestatten sollten.
    – Ihre Beobachtung ist ganz richtig, Johnson; meiner Ansicht nach entstammt auch der weitaus größte Theil des Schnees oder Regens, der uns hier trifft, den Meeren der gemäßigten Zone. Eine solche Flocke, ursprünglich ein Wassertröpfchen eines europäischen Flusses, hat sich dort dampfförmig erhoben, mit anderen gleichen Wolken gebildet und wird am Ende hier niedergeschlagen. Es ist also gar nicht unmöglich, daß wir, indem wir von diesem Schnee trinken, unseren Durst aus vaterländischen Flüssen stillen.
    – Immer der gleiche Kreislauf!« erwiderte der Rüstmeister.
    Da vernahm man Hatteras’ Stimme, der ihre Abweichung vom Wege berichtigte und diese Unterhaltung unterbrach.
    Der Nebel wurde dichter und erschwerte sehr die Einhaltung der geraden Richtung.
    Gegen acht Uhr Abends hielt die kleine Gesellschaft endlich an, nachdem sie fünfzehn Meilen zurückgelegt hatte. Das Wetter blieb fortwährend trocken; das Zelt wurde aufgeschlagen, der Wärmespender in Thätigkeit gesetzt, man aß, und die Nacht verlief ruhig.
     

    Willkommener Proviant. (S. 282.)
     
    Hatteras und seine Genossen wurden von erwünschter Witterung begünstigt. Sie setzten ihre Reise auch an den folgenden Tagen ohne Schwierigkeiten fort, obgleich die Kälte äußerst streng wurde, so daß das Quecksilber im Thermometer gefroren blieb. Erhob sich noch Wind dazu, so hätte Keiner einer solchen Temperatur zu widerstehen vermocht. Der Doctor constatirte bei dieser Gelegenheit die Richtigkeit der Beobachtungen, welche Parry bei seiner Excursion nach der Insel Melville machte. Dieser berühmte Seefahrer stellt den Satz auf, daß ein genügend mit Kleidung versehener Mensch ungestraft bei größter Kälte in freier Luft verweilen kann, vorausgesetzt, daß diese Luft ruhig ist; sobald aber der leiseste Wind sich erhebt, fühle man im ganzen Körper einen brennenden Schmerz, und es erfolge unter heftigsten Kopfschmerzen bald der Tod. Der Doctor wurde denn auch gar nicht mehr recht ruhig, da er sich sagte, daß schon wenig Wind hinreiche, sie bis auf das Mark zu erstarren.
    Am 5. März beobachtete er eine in diesen Breiten nur seltene Erscheinung. Bei vollkommen reinem Himmel und schönstem Sternenglanze fiel, ohne daß nur eine Wolke sichtbar gewesen wäre, ein reichlicher Schnee. Die Sternbilder blieben durch die Flocken sichtbar, welche sich schön gleichmäßig niedersenkten. Das währte etwa zwei Stunden, ohne daß der Doctor sich über die Entstehungsursache eine befriedigende Rechenschaft zu geben vermochte.
    Auch das letzte Viertel des Mondes war nun vorüber; während siebenzehn Stunden von je vierundzwanzigen war es völlig dunkel; die Reisenden mußten sich durch Stricke verbinden, um einander nicht zu verlieren. Eine gerade Richtung des Weges war kaum einzuhalten.
    Nach und nach singen die muthigen Leute, obwohl die eiserne Nothwendigkeit sie trieb, doch zu ermatten an. Sie machten öfter Halt, und durften doch, in Rücksicht auf die vorräthigen Nahrungsmittel, keine Stunde vergeuden.
    Nach der Stellung des Mondes und der Sterne bestimmte Hatteras häufig ihre Lage. Als aber nun ein Tag nach dem anderen verfloß und die Reise sich endlos zu verlängern schien, fragte er sich manchmal, ob denn der Porpoise wirklich noch existire; ob bei dem Amerikaner nicht etwa durch das, was er hatte ausstehen müssen, auch das Gehirn gelitten habe, oder ob er nicht gar, da er für sich doch keine Rettung sah, aus Haß gegen die englische Nation, auch sie einem gewissen Tode entgegenführen wolle.
    Er theilte dem Doctor seinen Verdacht mit; dieser theilte ihn keineswegs, aber es war ihm klar, daß zwischen dem englischen und dem amerikanischen Kapitän eine unselige Eifersucht Platz greife.
    »Diese beiden Männer werden schwerlich in gutem Vernehmen mit einander bleiben«, sprach er zu sich selbst.
    Am 14. März, und nach sechzehntägigem Marsche befanden sich die Reisenden immer noch erst unter’m zweiundachtzigsten Breitegrade; ihre Kräfte gingen zur Neige und noch hundert Meilen trennten sie von dem Fahrzeuge; ihre Leiden zu vervollständigen, mußten die Rationen auf ein Viertel herabgesetzt werden, um nur den Hunden ihr volles Futter zu sichern.
    Auf Jagdbeute konnte man leider auch nicht rechnen – sie waren nur noch mit sieben

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