Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras
Schuß Pulver versehen und sechs Kugeln war ihr ganzer Vorrath. Auf mehrere weiße Hasen und einige Füchse, die übrigens beide nur selten zu sehen waren, hatte man, ohne zu treffen, geschossen.
Freitags, am 15., war der Doctor so glücklich, eine Robbe zu entdecken, die auf dem Eise lag. Er verwundete sie durch mehrere Schüsse, und da das Thier durch sein schon zugefrorenes Loch nicht entwischen konnte, wurde es bald erreicht und erschlagen. Es war ein großes Exemplar; Johnson weidete es kunstgerecht aus, aber bei seiner außerordentlichen Magerkeit bot es den Reisenden nur wenig Nahrung, da sie sich nicht entschließen konnten, nach Art der Eskimos dessen Thran zu trinken.
Der Doctor versuchte zwar mit aller Ueberwindung, diese widerliche Flüssigkeit zu verschlucken, aber er mußte trotzdem davon abstehen. Das Fell des Thieres hob er, ohne recht zu wissen wozu, nur so nach Jägergewohnheit, auf und barg es im Schlitten.
Am Morgen des Sechzehnten entdeckte man einige höhere und niedrigere Eisberge am Horizont. War das ein Anzeichen der nahen Küste oder nur die Folge von Bewegungen des Eismeeres? Die Entscheidung hierüber war schwer.
Einen dieser Spitzhügel benutzten die Reisenden, als sie dahin gelangt waren, um mit Hilfe der Eisklingen 1 sich darin ein besseres Obdach, als das Zelt bot, auszuhöhlen, und nach drei Stunden unausgesetzter Arbeit konnten sie sich schon um den behaglichen Ofen lagern.
Fußnoten
1 Breite Messer, die zum Zerschneiden der Eisschollen etc. dienen.
Viertes Capitel.
Der letzte Schuß Pulver.
Johnson hatte auch die müden Hunde mit in das Eishaus geführt; bei reichlichem Schneefall bereitet dieser den Thieren eine Decke, die ihre natürliche Wärme zusammenhält. Aber jetzt wären die armen Thiere bei einer trockenen Kälte von fast vierzig Grad in freier Luft ohne Zweifel bald erfroren.
Johnson, der sich viel mit dem Abrichten von Hunden beschäftigte, versuchte die Thiere mit dem schwärzlichen Robbenfleische, das ihnen widerstand, zu füttern, und zu seiner großen Freude schien das ihnen gar nicht übel zu munden, wovon er dem Doctor bald Nachricht gab. Dieser war gar nicht besonders erstaunt darüber; er wußte, daß sich im Norden Amerikas die Pferde vorwiegend von Fischen nähren, und was dem pflanzenfressenden Rosse genügte, das mußte wohl den fleisch-und pflanzenfressenden Hunden gelegen kommen.
Bevor er sich niederlegte, wollte der Doctor, obschon der Schlaf den Reisenden, die sich wieder fünfzehn Meilen über das Eis geschleppt hatten, sich dringend geltend machte, ihnen ihre thatsächliche Lage klar machen, ohne den Ernst derselben herabzusetzen.
»Wir sind erst unter’m zweiundachtzigsten Breitegrade, sagte er, und schon drohen uns die Lebensmittel zu fehlen.
– Das ist ein Grund mehr, erwiderte Hatteras, um keinen Augenblick zu verlieren. Wir müssen vorwärts! Die Stärkeren mögen die Schwächeren fortziehen.
– Werden wir an bezeichneter Stelle auch ein Schiff finden? fragte Bell, den die Strapazen der Reise trotz seiner Gegenwehr niederdrückten.
– Warum sollten wir das bezweifeln? Das Heil des Amerikaners ist auch das unsere«, antwortete Johnson.
Zu größerer Sicherheit wollte der Doctor noch einmal Altamont befragen; dieser sprach jetzt, wenn auch schwach, doch mit größerer Leichtigkeit; er bestätigte nur alle früher angegebenen Einzelheiten; er wiederholte, daß das auf felsigem Ufer gelagerte Fahrzeug seinen Ort nicht zu verändern im Stande sei, und daß es sich also bei hundertzwanzig Grad fünfzehn Minuten Länge und dreiundachtzig Grad fünfunddreißig Minuten Breite finden müsse.
»Wir können an der Richtigkeit dieser Aussage nicht zweifeln; die Schwierigkeit wird nicht darin liegen, den Porpoise aufzufinden, sondern ihn nur zu erreichen.
– Wie viel haben wir noch Proviant? fragte Hatteras.
– Etwa noch für drei Tage.
– Nun gut, so werden wir binnen drei Tagen dort ankommen müssen, sagte der energische Kapitän.
– Freilich ist das nöthig, fuhr der Doctor fort, und wenn wir es durchführen, werden wir es dem Wetter zu danken haben, das uns ganz auffallend günstig war. Fünfzehn Tage sind wir von Schnee verschont geblieben, und der Schlitten glitt leicht über das feste Eis. O, daß wir nicht noch zwei Centner Nahrungsmittel haben, unsere braven Hunde wären dann leicht dieser Aufgabe gewachsen. Doch wir müssen uns wohl in’s Unvermeidliche fügen.
– Könnte man denn, entgegnete Johnson, nicht mit ein wenig
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