Reisestipendien
wollte diese Gefahren, die er eindringlich darstellte und mit lebhaften Gesten noch weiter schilderte, aber trotz alledem nicht glauben.
»Ich verlange ja gar nicht, erklärte er dagegen, daß Du sie für unabwendbar hältst, doch daß Du wenigstens mit ihrer Möglichkeit rechnest und wegen dieser Möglichkeit gewisse notwendige Maßregeln ins Auge faßt.
– Und welche, Horatio?
– In erster Linie, Juliette, gedenke ich mein Testament zu machen.
– Dein Testament?
– Jawohl, in bindender, rechtskräftiger Form…
– Du wirst mich langsam töten! rief Frau Patterson, der diese Reise jetzt allerlei Schreckbilder vorgaukelte.
– Nein, liebe Frau, das gewiß nicht! Ich will nur die kluge Vorsicht nicht aus den Augen setzen. Ich gehöre doch einmal zu den Menschen, die ihre irdischen Angelegenheiten in Ordnung wissen wollen, ehe sie einen Bahnzug besteigen, und erst recht, wenn es sich darum handelt, sich auf das große Wasser hinauszuwagen.«
Das war nun einmal die Art des würdigen Mannes, und wer konnte wissen, ob er jetzt allein an die Festlegung seines letzten Willens dachte Jedenfalls bedrückte dieser Teil des Zwiegesprächs Frau Patterson schon aufs schwerste, zunächst der Gedanke, daß ihr Ehegatte die sonst nie berührte Erbschaftsfrage regeln wollte, dann das Nebelbild der Gefahren einer Reise über den Atlantischen Ozean, die Zusammenstöße, Strandungen, Schiffbrüche, das Ausgesetztwerden auf irgend einer Insel mit schrecklichen Kannibalen…
Da empfand es Horatio Patterson doch, daß er vielleicht etwas zu weit gegangen sei, und er versuchte mit tröstlicherem Zuspruch die Gattin wieder zu beruhigen, diese Hälfte seiner selbst von ihrer Angst zu befreien. Schließlich gelang es ihm auch, sie zu überzeugen, daß selbst ein Übermaß von Vorsicht niemals schädliche oder bedauerliche Folgen haben könne, und wie man damit, daß man sich gegen jede Möglichkeit schütze, den Freuden dieses Lebens doch noch keineswegs auf ewig Lebewohl sage.
»Das
aeternum vale,
setzte er hinzu, das Ovid dem Orpheus in den Mund legte, als dieser die geliebte Eurydike zum zweiten Male verlor!«
O nein, Frau Patterson sollte ihren Gatten ja nicht verlieren, auch nicht zum ersten Male. Der ordnungssüchtige Mann würde aber trotzdem jeder Möglichkeit vorbeugen wollen und den Gedanken, sein Testament zu machen, gewiß nicht aufgeben. Noch denselben Tag suchte er einen Notar auf, und sein letzter Wille wurde von diesem den gesetzlichen Vorschriften entsprechend und so aufgesetzt, daß er bei seiner etwaigen Eröffnung keine zweifelhafte Auslegung zuließ.
Man kann also überzeugt sein, daß Herr Patterson alle denkbare Vorsicht gebraucht hatte für den Fall, daß der »Alert« im Ozean mit Mann und Maus versinken und man von dessen Mannschaft und Passagieren nie wieder etwas hören sollte.
Das erwartete Patterson zwar selbst nicht, denn er fügte seinen Worten noch hinzu:
»Es wäre vielleicht noch eine andere Maßregel zu treffen…
– Und welche, Horatio?« fragte Frau Patterson.
Ihr Gatte glaubte sich augenblicklich nicht weiter aussprechen zu sollen.
»Ach… nichts… nichts… das wird sich finden,« begnügte er sich zu erwidern.
Und wenn er nichts weiter sagen wollte, so geschah es, um Frau Patterson nicht aufs neue zu ängstigen. Vielleicht wäre es ihm auch nicht gelungen, sie zur Billigung seiner Idee zu bekehren, selbst wenn er diese durch weitere lateinische Citate unterstützte, womit er die würdige Gattin gewohnheitsgemäß nicht verschonte.
Um das Gespräch abzubrechen, schloß er es mit den Worten:
»Und nun wollen wir uns mit meinem Reisekorbe und mit meiner Hutschachtel beschäftigen.«
Die Abfahrt sollte zwar erst in fünf Tagen erfolgen, doch was getan ist, ist ja getan und braucht also nicht später gemacht zu werden.
Kurz, was Patterson ebenso wie die neun Preisträger anging, es war von jetzt an nur noch von den Reisevorbereitungen die Rede.
Wenn die Abfahrt des »Alert« übrigens für den 30. Juni bestimmt war, mußte man von den noch übrigen fünf Tagen volle vierundzwanzig Stunden abziehen, die die Fahrt von London nach Cork beanspruchte.
Die Reisenden sollten sich nämlich mit der Eisenbahn zuerst nach Bristol begeben. Dort bestiegen sie dann den Dampfer, der den täglichen Dienst zwischen England und Irland versieht, fuhren die Savern hinunter, überschritten hierauf den Kanal von Saint-Georges und den von Bristol und landeten in Queenstown, am Eingange der Bai von
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