Reispudding mit Zimt (German Edition)
er mich fast mitleidig an.
„Nein, Anna. Sie ist nicht meine leibliche Mutter. Die ist schon seit zehn Jahren tot. Mein Vater hat wieder geheiratet. Liz ist meine Stiefmutter. Die Zwillinge sind meine Halbbrüder.“
Die Musiker finden diese Wendung super toll. Sie brüllen vor Lachen. Der Koreaner schlägt Chris anerkennend auf den Rücken. Sally wirft mir einen giftigen Blick zu und legt ihren Arm wieder beschützend um ihre Beute.
Ich stehe da wie ein begossener Pudel. In so eine peinliche Lage habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nicht hinein manövriert. Es ist furchtbar. Mir ist zum Heulen zumute. Zum Glück habe ich jedoch eine einigermaßen robuste Natur.
„Na, dann wäre ja alles geklärt“, sage ich kühl und hebe dabei stolz mein Kinn, „dann kann dich Sally ja getrost weiter so schamlos anbaggern.“ Dann werfe ich meinen Kopf, so dass meine neuen Strähnchen nur so blitzen, greife nach dem Tablett und rausche davon.
Humphrey, der das ganze Drama von hinter der Theke verfolgt hat, empfängt mich mit einem schadenfrohen Grinsen.
„Nett, dass du unsere Gäste so toll unterhältst“, sagt er, „da spare ich das Geld für ein Unterhaltungsprogramm.“ Dann pfeift er vergnügt vor sich hin, während er das nächste Bier zapft. Ich würde ihm liebend gerne in den Hintern treten, aber das macht man nicht mit seinem Chef.
Den restlichen Abend vermeide ich es, zu Chris und seinen Freunden hinüber zu schauen. Mit zusammen gepresstem Mund und düsterem Sinn gehe ich meiner Arbeit nach. Es ist alles so furchtbar. Hier hänge ich in diesem englischen Seebad herum, muss für ein Ekelpaket arbeiten, habe keine Aussicht auf eine echte Lehrstelle, habe meinen Vater vergrätzt und nun den Mann meiner Träume auch noch. Irgendwie mache ich alles falsch.
Doch während ich so vor mich hin arbeite, Gläser spüle, Tische wische, fällt so ganz zart und allmählich ein kleiner Lichtstrahl in mein finsteres Gemüt. Er breitet sich nach und nach aus, wird stärker, heller und wärmer.
Als ich am Feierabend müde und geschafft nach Hause strebe, ist das Licht bereits in meinem Herzen angekommen und lässt mich fast tanzen.
Was hat Chris noch gesagt? Wie waren die Worte?
Ich kann definitiv sagen, dass ich nicht in einer Beziehung bin.
Trotz des Dramas der letzten Nacht, schlafe ich wie ein satter Säugling. Am nächsten Morgen bin ich frisch wie eine Primel und voller Tatkraft. Das schlechte Wetter ist vorbei. Aldeburgh liegt in einem verheißungsvollen Morgenlicht. Über dem glatten blauen Meer wartet ein zarter Dunst darauf, dass die Sonne ihn endgültig wegzaubert. Die Luft riecht nach Salz und feuchtem Sand. Ich jogge gleichmäßig und kraftvoll für fast eine halbe Stunde, dann kehre ich an den Strand zurück, ziehe meine Joggingklamotten aus, den Bikini habe ich schon drunter, und schwimme hinaus in das sanft schaukelnde Meer. Nach wieder einer halben Stunde habe ich mich mit meinem Sweatshirt abgerubbelt, die Hose als Umhang um meine Schultern gelegt und stehe vor Freddys Stand. Der hat in weiser Voraussicht heute schon früh „auf“.
„Na, Anna, wie geht’s?“, begrüßt er mich herzlich.
„Könnte nicht besser sein“, antworte ich ihm und denke: es stimmt wirklich. „Jetzt möchte ich gerne auf dein freundliches Angebot eingehen, das mit dem Gratis-Essen.“
„Kein Problem“, zwinkert Freddy mir zu.
Während der Fisch brät, frage ich ihn: „Und wie laufen die Geschäfte so?“
„Och, ganz gut. Obwohl schon ab und zu jemand kommt und sagt, bei dir hätte es ihnen besser geschmeckt. Das ist nicht schön, für den alten Freddy.“ Aber wirklich ärgerlich klingt er nicht. „Und was macht die Karriere?“
Nun habe ich schon meinen Fisch und habe schon einen hungrigen Bissen genommen.
„Mischt Mut“, murmle ich mit vollem Mund.
„Wieso?“
Ich schlucke. „Weil ich keine Lehrstelle finde.“
Freddy erwidert: „Das wundert mich aber. Bei deinem Talent. Hast du schon überall nachgefragt?“
„Na ja“, gebe ich zu, „in der letzten Zeit habe ich die Suche ein wenig schleifen lassen, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, Geld zu verdienen.“
Freddy lehnt sich mit aufgestützten Armen auf die Theke und sagt etwas leiser: „Ich habe da etwas gehört.“
Ich spitze meine Ohren. Klatsch ist immer spannend.
Freddy deutet mit krummen Zeigefinger, dass ich etwas näher kommen soll. Ich lehne mich vor und lausche.
„Kennst du das 'Seaview'?“, fragt Freddy.
Ob ich das
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