Reispudding mit Zimt (German Edition)
nicht, warum“, erwidert Clara gekränkt, „als Kind warst du immer so quirlig und so vergnügt. Was ist nur in dich gefahren?“
„Clara“, seufze ich, „falls es dir noch nicht aufgefallen ist, ich bin kein Kind mehr. Ich bin zu alt, um am Strand nach Muscheln und Steinchen zu suchen.“
„Und wenn du etwas Sport treibst? Vielleicht Jogging?“
Hmm. Keine schlechte Idee.
Also entwickle ich einen neuen Plan: morgens wird gejoggt, dann geschwommen. Gleich am nächsten Morgen schlüpfe ich in eine Leggings, ziehe mir ein Sweatshirt an und jogge über die Promenade.
Zuerst geht es nur einmal den Crag Path entlang und zurück, aber Tag für Tag verlängere ich die Strecke. Man kann auf dem Fahrradweg entlang der Thorpe Road wunderbar vor sich hintraben. Rechts liegt das Meer noch im kühlen Morgendunst, links lugen zwischen den grünen Hecken die vielen Privathäuser hervor, die sich in privilegierter Lage mit Seeblick befinden. Von der Seeseite duftet es nach Salz und Algen, von der anderen nach würzigem Buchsbaum und blühendem Liguster.
Beim Joggen kann ich hervorragend nachdenken, denn die gleichmäßige Bewegung meiner trabenden Füße wirkt wie ein Blitzableiter für meine Unruhe und Nervosität.
Wie soll es nur mit mir weitergehen? Soll ich einfach kapitulieren und den Wünschen meines Vaters entsprechen? Hat Clara am Ende Recht? Mit ihr habe ich mein Dilemma neulich beim Abendbrot diskutiert.
„Hand aufs Herz,“ hat sie angefangen, „was treibt dich nun wirklich zu mir? Du kommst doch nicht wirklich, um mich zu sehen. Dafür kenne ich dich zu gut. Und du kommst auch nicht wegen der Sommerfrische. Ich wusste schon, als du dich bei mir gemeldet hattest, dass es dir hier auf Dauer zu langweilig werden würde. Hast du Liebeskummer? Bist du auf der Flucht vor einem Kerl der dich stalkt?“
Ich verdrehe meine Augen.
„Schön wär's, Clara. Aber Papa ist dazu viel zu streng und eifersüchtig. Ich hätte doch nie jemanden mit nach Hause bringen können. Auf Partys durfte ich auch nur begrenzt gehen. Höchstens einmal im Monat, sonst bekam ich unterstellt, ich würde meine Schulpflichten vernachlässigen und – ja – ich sei nur auf der Suche nach einer „Liebschaft“, weil ich das für meine Eitelkeit oder für was auch immer brauche. Oder weil ich mit meinen Klassenkameradinnen mithalten wolle. Und wenn ich mal mit einem Freund von Stefan oder Andreas nur so ein klitzekleines bisschen geflirtet habe, meinte Papa gleich: 'Ich hätte mich wie ein Flittchen benommen und ihm sei das sooo peinlich gewesen, seine Tochter so erleben zu müssen.'“
Clara greift über die Tischplatte und drückt verständnisvoll meine Hand.
„Ach, ich weiß, du armes Kind. Ich, als deine Patentante, habe das nie gut gefunden, wie streng dein Vater mit dir ist. Helen hat viele Fehler gemacht. Sie ist zu schwach. Sie hätte als deine Mutter öfters einschreiten müssen.“
„Ja. Hätte sie. Tut sie aber immer noch nicht.“
„Worum geht es diesmal?“
„Um meine Berufswahl.“
„Und die wäre?“
Ich sage es Clara und wundere mich nicht, als ihr Kiefer heruntergeht.
„Na, da wird mir einiges klar“, sagt sie kopfschüttelnd, „das ist aber auch ganz schön verwegen von dir. Bei dem Vater.“
„Aber ich möchte nichts anderes.“
Clara zerbröckelt gedankenverloren eine Scheibe Gummibrot auf ihrem Teller.
„Bist du dir überhaupt so sicher, dass du da nicht doch einen Fehler machst? Schau, es ist doch eine altbekannte Weisheit, dass man sein Hobby nie zum Beruf machen sollte. Gut, du kochst gerne. Aber wenn du es immer, immer machen musst, wenn du tagein und aus für fremde Menschen kochen musst, meinst du nicht, dass es dir bald zu blöd wird?“
„Nein,“ sage ich verbissen und sehe dabei durch das Fenster auf einen Busch, der sich in der leichten Seebrise bewegt.
Clara redet weiter: „Wenn du gut kochen kannst, wirst du es als Frau immer leichter im Leben haben, als andere Frauen. Man wird dir aus der Hand fressen. Liebe geht durch den Magen. Du musst doch nicht gleich über das Ziel schießen und Köchin werden. Du wirst deinen zukünftigen Mann und deine Familie mit deinen Kochkünsten glücklich machen. Deshalb kannst du doch trotzdem einen vernünftigen Beruf ausüben.“
Das reicht. Einen vernünftigen Beruf. Mir platzt der Kragen. Ungehalten springe ich auf und verlasse das Zimmer.
„Du willst mich nicht verstehen. Ich sehe jetzt genau, wie es ist; du bist mindestens ebenso schlimm
Weitere Kostenlose Bücher