Reitclub Wedenbruck
Oder Reitlehrer.“
„Genau.“
Mirko zögerte mit der Antwort, umständlich tauchte er den Schwamm ins Wasser, drückte ihn aus und tauchte nochmals ein.
„Du kannst es ruhig wissen, es ist kein Geheimnis“, sagte er schließlich. „Ich habe keine weiße Weste, wie man so sagt.“
„Und was heißt das?“
„Als ich jung war, war ich ein Revolutionär in meinem Land. Ich war gegen die Kommunisten. Sie haben mich und meinen Freund verhaftet, und wir waren viele Jahre im Gefängnis. Danach war ich froh, einfach Arbeit zu haben. Und meine Ruhe.“
„Aber das ist doch lange vorbei!“
„Ich bin zufrieden mit meinem Leben. Ich habe die Pferde, mehr brauche ich nicht.“
Bille schwieg nachdenklich. So ganz konnte sie Mirko seine Beteuerungen nicht glauben. Wenn er wirklich glücklich war, warum war er dann so menschenscheu und ablehnend? Er hatte keine Frau, keine Kinder, keine Angehörigen und offensichtlich auch keine Freunde. Aber vielleicht brauchte er einfach noch ein bißchen Zeit, um in Groß-Willmsdorf Freundschaften zu schließen.
„Dein Freund von damals“, fragte Bille zögernd, „bist du noch mit ihm in Verbindung? Hatte er auch etwas mit Pferden zu tun?“
„Er stammte auch aus Lipica . Heute arbeitet er in irgendeinem Ferienort als Reitlehrer, ich habe seine Adresse nicht.“
„Schade“.
Nun, einen Freund hatte Mirko hier doch. Und der bog gerade um die Stallecke: Johnny, der Indianer. Bille winkte ihn heran. „Nun?“ fragte sie begierig.
„Du bist zu ungeduldig“, sagte Johnny mit freundlichem Tadel.
„Aber du warst bei Hubert?“
„Ich gehe jeden Tag zu ihm. Ich helfe ihm, seine verletzten Pferde zu behandeln. Dann sitzen wir und schauen in den Himmel und schweigen.“
„Das ist alles?“
„Ich sagte dir schon, du bist zu ungeduldig. So etwas braucht Zeit.“
„Indianerweisheit, wie? Ich fürchte, das ist zu hoch für mich“, stellte Bille seufzend fest.
„Er ist unglücklich, und er ist in großen Schwierigkeiten“, belehrte sie Johnny, der Indianer, sanft. „Aber sein Stolz läßt es nicht zu, die Wahrheit zu vertragen. Noch nicht. Ah, übrigens, ich könnte heute abend, wenn es dunkel ist, ein paar Helfer gebrauchen.“
„Im Schulstall?“
„Nein, in Wedenbruck. Um Huberts Pferde zum Grasen zu führen. Und vielleicht... nun, verstehst du, sie haben die letzte Futterrechnung noch nicht bezahlt, und die Lieferung ist ausgefallen.“
„Verdammt“, Bille biß sich auf die Lippen. „Alles klar , ich komme. Und Bettina, Nico und Florian sicher auch.“
„Ich komme auch mit“, sagte Mirko.
„Und wo wird Hubert sein?“
„Mit seiner Bruni bei Gerd Karsten. Der hat heute Geburtstag und gibt ein großes Fest in seinem Haus.“
„Ich verstehe“, sagte Bille grinsend. „Ich denke, ich werde Zottel anspannen und vorher schnell noch bei der Futterhandlung vorbeifahren, um einen Sack Hafer zu besorgen.“
Die Nacht-und-Nebel-Aktion verlief ohne Zwischenfälle. Wie Bille gesagt hatte, waren Bettina, Florian und Nico mitgekommen. Mirko, Johnny und die Henrich-Kinder hatten jeder ebenfalls einen Sack Hafer gespendet, den sie nun - einen neben den anderen - in der Futterkammer abstellten. Da die Pferde höchstens die halbe Tagesration bekommen hatten, gab es noch einen tüchtigen Nachschlag, dann wurden sie aus ihren Boxen geholt und leise ins Freie geführt.
Es war, als wüßten die Tiere, worum es ging. Keinen Laut gaben sie von sich, während sie sich auf dem Feldweg hinter der Reithalle langsam von der Feriensiedlung entfernten.
„Wenn ihr wollt, können wir sie zu uns auf die Koppel hinterm Haus bringen“, schlug Bille vor. „Ich habe mit Mutsch und Onkel Paul gesprochen. Sie ist zwar nicht groß, aber besser als gar keine Koppel!“
„Und größer als ihre Box und diese furchtbare dunkle Reithalle“, vollendete Florian den Satz. „Gut, schon gebongt.“
Sie hatten die kleine Koppel bald erreicht und entließen eines der Pferde nach dem anderen in die Dunkelheit. Sie konnten mehr ahnen als sehen, wie die Tiere erleichtert losliefen, sich wälzten und schnaubend schüttelten. Schweigend setzten sie sich neben dem Zaun ins Gras. Nur das Aufglimmen von Johnnys Pfeife gab hin und wieder einen schwachen Lichtschimmer ab.
„Und wenn Hubert nun noch einmal in den Stall geht?“ fragte Bille beunruhigt.
„Ich habe ihm einen Zettel hingelegt. Aber er wird nicht kommen“, antwortete Johnny, der Indianer. „Ich habe ihm heute nachmittag angeboten,
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