Reitclub Wedenbruck
schlechter werdende Zustand der Ferienpark-Pferde war letztlich nicht aufzuhalten, höchstens ein wenig zu mildern. Und so drehten sich ihre nächtlichen Gespräche hauptsächlich um die Zukunft von Huberts Reitanlage.
Doch bevor sie eine Lösung gefunden hatten, kam es zu einer unerwarteten Wende.
An diesem Abend war Onkel Paul mit Mutsch ins Theater in der Stadt gefahren, wie sie es einmal im Monat taten. Florian hatte sich vergewissert, daß Hubert im Krug saß und schon einige Bier mit Korn gekippt hatte. Anke und Rita, die Lehrlinge, hatten ihren Rundgang gemacht und waren in die Disco davongeschnürt, auf der täglichen Jagd nach neu eingetroffenen männlichen Singles unter dreißig, die gern tanzten und bereit waren, ein paar Drinks springen zu lassen. Denn wenn man schon fast nichts verdiente und das wenige nicht pünktlich ausbezahlt bekam, wollte man sich zumindest nach Feierabend amüsieren.
Das Unglück nahm seinen Lauf, als Rita bemerkte, daß ihre Armbanduhr verschwunden war. Eine kostbare Uhr, die sie von ihrer Großmutter zur Konfirmation bekommen hatte.
„Nun reg dich nicht auf, du hast sie sicher im Stall drüben liegengelassen.“
Rita ließ sich auf die Tanzfläche ziehen und vergaß ihre Uhr eine Weile, aber als sie an die Bar zurückkehrte, packte sie die Unruhe.
„Du, ich laufe schnell mal rüber und sehe nach. Wenn die Uhr weg wäre, das gäbe eine Katastrophe. Ich bin gleich zurück. Bestell mir inzwischen noch eine Cola.“ Rita lief zum Pferdestall hinüber und knipste das Licht in der Sattelkammer an. Erleichtert stellte sie fest, daß die Uhr im Putzschrank lag, und band sie sich um.
Vielleicht wäre noch alles gutgegangen, wenn ihr beim Verlassen des Raumes nicht die unnatürliche Stille im Stall aufgefallen wäre, kein Schnauben, kein Atmen, kein Strohrascheln, das war fast unheimlich. Rita knipste das Licht an und sah die Reihe der Boxen entlang. Alle Türen standen offen, die Pferde waren fort!
Rita hetzte in die Disco hinüber und zerrte Anke ins Freie. „Du, die Pferde sind weg! Alle!“
„Das gibt’s doch nicht, du träumst!“
„Wenn ich’s dir doch sage! Wir müssen sofort Herrn Karsten anrufen. Und bei Brodersens Bescheid sagen!“
„Gut. Erst Herrn Karsten. Brodersen ist sowieso zu! Mann, das gibt ein Theater!“ Anke lief zum Telefon hinüber. „Hast du Münzen? Ruf du inzwischen vom Stallapparat Frau Brodersen an.“
So kam es, daß Bille und ihre Freunde bei ihrer Rückkehr den Stall hell erleuchtet vorfanden. In der Stallgasse stand Gerd Karsten vor Hubert, der sich kaum auf den Beinen halten konnte, und brüllte. „Das ist alles deine Schuld! Du bist unfähig! Du bist eine solche Flasche! Erst deine lasche Art, den Betrieb zu führen, dauernd diese Mäkelei, dies halten die Pferde nicht aus, das können wir nicht machen, das Futter reicht nicht, wir brauchen Koppeln! Immer nur Forderungen und Beschwerden, kein Pfennig Gewinn bis jetzt, dabei sind wir von morgens bis abends ausgebucht! Und jetzt sind auch noch die Pferde weg! Weißt du was? Du bist gefeuert! Ich suche mir einen fähigeren Mann für die Anlage, damit hier endlich mal Zug rein kommt!“
Bruni hatte die ganze Zeit blaß und mit zitternden Lippen im Hintergrund gestanden. Jetzt fiel ihr Blick auf Bille und Johnny, den Indianer, die jeder ein Pferd am Halfter hielten.
„Da sind sie ja!“ rief sie, ihre Stimme überschlug sich fast. „Was macht ihr mit unseren Pferden? Waren sie ausgebrochen?“
Für einen Augenblick überlegte sich Bille, ob sie lügen sollte. Aber das hätte den beiden Mädchen eine böse Rüge eingetragen, wenn es auch Huberts Ehre in diesem Augenblick gerettet hätte. Anke und Rita, die für nicht viel mehr als ein Trinkgeld arbeiten mußten, hatten eine solche Verleumdung nicht verdient.
„Wir haben sie für ein paar Stunden auf unsere Koppel gebracht“, erklärte Bille ruhig. „Wir konnten es nicht mehr mit ansehen, in welch elendem Zustand sie sind!“ Bruni schnappte ein, in Sekunden lief ihr Gesicht puterrot an. „Das ist ja wohl die größte Unverschämtheit!“ Weiter kam sie nicht, denn jetzt holte Gerd Karsten Luft, um eine neue Brüll-Arie vom Stapel zu lassen. Bille wunderte sich, wie ruhig sie dabei blieb.
„Sie! Sie! Ich werde Sie verklagen! Das wird Sie teuer zu stehen kommen, das ist Entwendung fremden Eigentums! Es geht Sie einen Dreck an, was wir mit unseren Pferden machen! Die können so elend aussehen, wie sie wollen, das ist unsere
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