Reitclub Wedenbruck
abends nach den Pferden zu sehen.“
„Das ist gut.“
Hinter ihnen tauchte im Dunkel eine große Gestalt auf, jemand räusperte sich tief.
„Onkel Paul!“
„Ich mußte doch mal nach euch sehen, mein Deern. Habe ein paar Decken mitgebracht, damit ihr nicht friert. Und etwas zu trinken!“
Bille verteilte die Decken, und Onkel Paul ließ sich ächzend auf dem Boden neben Mirko nieder. Aus seiner Jackentasche zog er einen Stapel Pappbecher, dann hörten sie das Geräusch des Korkens, als er die Rotweinflasche öffnete. Bille fühlte sich an Ungarn erinnert. Die milde Nacht, das Grillengezirp in der Luft, das leise Schnauben der Pferde, die nur wenige Meter entfernt zufrieden grasten - es fehlte nur noch ein Lagerfeuer. Und Simon. Aber der kam übermorgen zurück, dann würde sie ihm alles erzählen. Und vielleicht gingen sie dann wieder mit den Pferden hinaus, und er konnte dabeisein.
Nico und Florian saßen eng umschlungen. Bille rückte nahe an Bettina heran, die, wie Bille ihren Simon, Tom herbeisehnte. Onkel Paul sorgte dafür, daß alle zu trinken hatten. Johnny zündete sich eine neue Pfeife an und begann zu erzählen. Von Abenden wie diesem, wenn er mit dem Zirkus auf Tournee war und abends nach der letzten Vorstellung auf den Stufen seines Wagens saß und den Tag überdachte. Oder seine Pferde wie diese hier zum Grasen führte . Whisky, mit dem er die Raubtiernummer vorgeführt hatte, und Happy, das beste Voltigierpferd der Welt, wie er versicherte. Und sein ganz besonderer Freund Maestro, mit dem er lange Gespräche hatte führen können. Ach, und all die anderen Pferde, die ihn durch ein langes Zirkusleben begleitet hatten. Johnny, der Indianer, geriet ins Schwärmen, die Anekdoten purzelten nur so aus ihm heraus, und seine Zuhörer glaubten bald, um die Arena zu sitzen und der großen Show zuzusehen.
Nach drei Stunden führten sie die Pferde zurück in den Stall. Vierbeiner und Zweibeiner brauchten noch eine Portion Schlaf, um den Anforderungen des kommenden Tages gerecht werden zu können. Doch zufrieden waren sie alle.
Am nächsten Tag kam Hubert zu Johnny, dem Indianer, in den Schulstall. Er schlenderte an den Boxen vorbei, sprach ein paar Worte mit den Pferden, begrüßte Darling und Janosch, Luzifer und die Ponys, und wartete, bis auch der letzte Schüler hinausgegangen war.
„Ich bin gekommen, dir den Hafer zu bezahlen“, sagte er, nachdem sie eine Weile über das Wetter und die Schulpferde gesprochen hatten. „War nett gemeint, aber das ist wirklich nicht nötig.“
„Sei nicht albern“, brummte Johnny. „Wenn es dir so schwerfällt, ein Geschenk anzunehmen, dann kannst du’s mir ja bezahlen, wenn dein Laden da drüben besser läuft.“
„Trotzdem. Es ist mir nicht recht.“
„Hubert, jedes Kind weiß, daß so ein Betrieb eine Anlaufzeit braucht, bis er etwas abwirft. Sei doch froh, daß du Freunde hast, die dir den Start erleichtern wollen!“
„Ich brauche keine Hilfe. Was meinst du überhaupt mit Freunden?“
„Wir haben zusammengelegt. Und nun erzähl mir nicht, daß du auch keine Freunde brauchst!“
„Freunde!“ Hubert lachte bitter. „Die warten doch nur alle drauf, daß ich mit dem Betrieb baden gehe!“
„Das ist Blödsinn, und das weißt du auch. Du bist ja so vernagelt!“
Johnny, der Indianer, hatte recht, Hubert war blind und taub. Er knallte das Geld auf die Haferkiste und ging. In der Tür drehte er sich noch einmal um.
„Ich wüßte nicht, wen das etwas angeht, ob ich meine Futterrechnung bezahlen kann oder nicht!“
„Deine Pferde geht es etwas an! Denen knurrt nämlich der Magen“, rief Johnny ihm wütend nach, aber Hubert war schon gegangen.
In den folgenden Nächten starteten Johnny und die Freunde noch mehrmals eine heimliche Koppel-Aktion, wie sie es nannten. Daß Hubert stundenlang im Krug hockte und dann schwer angetrunken nach Hause stolperte, erleichterte ihnen das Unternehmen, denn die beiden Mädchen, die die Aufsicht über den Stall hatten, nahmen ihre Pflichten nicht sehr genau. Sie sahen gegen zehn Uhr nur noch einmal flüchtig zu den Pferden hinein, ehe sie sich in die Disco im Hauptgebäude des Ferienparks zurückzogen. Onkel Paul hatte Huberts Überwachung übernommen, wenn auch Mutsch nicht besonders begeistert davon war, daß er neuerdings so viele Abende in der beliebten Dorfkneipe beim Kartenspiel oder am Stammtisch des Bürgermeisters zubrachte.
Lange konnte das natürlich nicht so weitergehen. Und auch der immer
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