Reiterferien am Meer
kurz darauf erklang Dons Stimme.
„Ruhig, Misty, bleib schön stehen. Lass dich mal anschauen!“
Die Stimme verklang. Und obwohl ich zuhören wollte, wurde alles von dem Summen in meinem Kopf übertönt. Ich fühlte mich so schwach, dass es mir einfach nicht gelingen wollte, mich zu konzentrieren. Noch heute erinnere ich mich, dass ich wehmütig dachte, Don kümmere sich besorgt um Misty, ohne an mich auch nur zu denken.
Aus der Ferne vernahm ich wieder seine Stimme.
„Ruhig, Misty, sei brav! Hier ist ein hässlicher Riss, und dein Fesselgelenk gefällt mir auch nicht.“
Misty war also verletzt! Und ich kam nicht einmal auf die Beine, um ihm zu helfen …
Mit aller Kraft versuchte ich, den Kopf zu heben. Doch das gelang nicht – ich sank rücklings in die Brombeeren.
Lange wusste ich nichts mehr von mir, doch als ich endlich aus der Ohnmacht auftauchte, schaute ich in Dons erschrockenes Gesicht, und ich vernahm seine besorgte Stimme.
„Bist du verletzt, Jackie? Jackie! Komm zu dir! Ich habe überhaupt nicht bemerkt, dass … Jackie, wach auf!“
Kurz darauf muss ich erneut bewusstlos geworden sein, jedenfalls kann ich mich an nichts mehr erinnern. Erst nach langer, langer Zeit drang mir ein Sonnenstrahl unter die Lider, ganz allmählich begann ich zu erwachen.
Nach mehreren Minuten endlich kehrte die Erinnerung an den Unfall zurück.
„Don, wo bist du?“ Nur mühsam konnte ich diese Frage stöhnen. Mit angehaltenem Atem lauschte ich auf eine tröstliche Antwort.
Doch ich wartete vergeblich. Bewegungsunfähig und verletzt lag ich im Freien, ganz allein! Hatte Don mich im Stich gelassen? Bestimmt nicht! Vermutlich holte er Hilfe.
Plötzlich spürte ich etwas Feuchtes, Warmes im Gesicht, und als meine Ohren ihren Dienst wieder aufnahmen, vernahm ich das Winseln eines Hundes. Keuchender Atem drang mir ins rechte Ohr. Eine Zunge beleckte mich liebevoll.
Noch immer benommen, begriff ich nicht gleich, was es war. Doch als ich die Augen aufschlug, erblickte ich Scamp, meinen Spaniel, der sein liebes Hundegesicht ganz dicht an meines drängte und mir mit warmer Zunge die Wangen leckte, um mich ins Leben zurückzuholen. Wie schön war das: Mein Hund hatte mich im Augenblick meiner tiefsten Not aufgespürt und wollte mir helfen.
Tatsächlich gelang es mir, den Kopf ein wenig zu heben.
Sofort legte Scamp mir beide Pfoten auf die Schultern, und ich musste ihn liebevoll beiseite schieben, um Ausschau halten zu können. Misty stand noch immer mit hängenden Zügeln am Zaun, und zwar auf drei Beinen, um den linken Hinterfuß zu schonen.
Nun endlich fiel mir alles Geschehene wieder ein, jede Einzelheit wurde mir nun bewusst. Tapfer bemühte ich mich, das nachträgliche tiefe Erschrecken zurückzudrängen.
„Don!“, rief ich in der Hoffnung, er könne mit Helfern inzwischen zurück sein. „Don, wo bist du?“
Als einzige Antwort ließ Scamp ein kurzes Bellen hören, als wolle er sagen:
„Bin ich denn nicht hier? Bin ich dir nicht genug? Ich werde dir schon helfen!“
Aufgeregt winselnd packte mein Spaniel mich mit den Zähnen am Ärmel des karierten Hemdes und zerrte mich hoch. Nach und nach kam ich taumelnd auf die Beine. Da fiel mein Blick auf Dons Pullover, den er mir zusammengerollt unter den Kopf geschoben hatte.
Gerührt und dankbar nahm ich seine Umsicht wahr. Ganz bestimmt war es für ihn schrecklich gewesen, mich besinnungslos hier liegenlassen zu müssen!
Erst jetzt fiel mir auf, dass die Sonne sich verzogen hatte. Düstere Gewitterwolken brauten sich zusammen, Sturm kam auf, und schon fuhr der erste Blitz herab. Zehn Sekunden später grollte ein Donnerschlag. Die ersten dicken Regentropfen fielen, erst sparsam und vereinzelt, dann immer dichter.
Jetzt bekam ich Angst. Andererseits erfüllte mich der Regen mit neuer Kraft. Taumelnd tat ich ein paar Schritte, erreichte wirklich Misty und streichelte ihn tröstend. Dass ich nun mein Pferd zu versorgen hatte, ließ mich meine eigene Not vergessen.
„Ich weiß doch, dass du dich vor Gewitter fürchtest“, flüsterte ich ihm ins Ohr. „Meinst du etwa, ich habe das gern?“ Liebevoll kraulte ich Misty zwischen den Augen. „Wie soll ich dich jetzt trösten?“
Ich ergriff seine Zügel, und sofort tat Misty ein paar Schritte den Feldweg entlang, als wolle er, dass ich ihn endlich nach Hause brächte.
Wieder zuckte ein Blitz, und diesmal vergingen nur vier Sekunden bis zum Donner, das Gewitter war auf kaum mehr als einen Kilometer
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