Reiterferien am Meer
einiger Mühe beugte ich mich im Bett so weit vor, dass ich durchs Fenster auf die Übungswiese schauen konnte.
Steve hatte die niedrigen Holzböcke zu einer Folge unterschiedlich weiter und hoher Hindernisse aufbauen lassen, und nun mussten die Reitschüler sich daran versuchen. Tearaway war mit von der Partie, geritten von Tante Di. Während ich zuschaute, ritt auch Carol auf Starshine herein, der Blauschwarze sollte in Sheepdown zum offenen Rennen antreten. Während ich Starshine beobachtete, wuchs meine Hochachtung vor dem herrlichen Pferd und seiner tüchtigen Reiterin immer mehr. Ich traute ihnen jeden Sieg zu.
Wirklich, Pferd und Reiterin schienen zu einer Einheit zu verschmelzen.
Ich stieg aus dem Bett, kniete mich auf einen Stuhl und stemmte die Ellbogen aufs Fensterbrett.
Ohne die geringste Nervosität lief Starshine auf die Hindernisse zu und nahm in aller Ruhe Maß. Carol half ihm durch kluge Anweisungen, und das Pferd gehorchte vertrauensvoll. Kurz vor dem Absprung wurde es schneller, stemmte sich elegant vom Boden ab und schwebte mit aufgeregt zuckendem Schweif über das Hindernis – um weiterzulaufen und die nächste Hürde fest und zuversichtlich ins Auge zu fassen.
Scamp war aufgewacht, auf den zweiten Stuhl neben dem Fenster gesprungen und schaute nun ebenfalls gebannt zu. Nach dem zweiten Sprung wandte er den Kopf und schaute mich winselnd an, als wolle er mich fragen, warum wir denn nicht auch draußen seien und uns mit den anderen vergnügten.
„Geduld“, tröstete ich und kraulte ihm den Kopf. „Das ist es, was wir beide jetzt brauchen. Oder möchtest du mich etwa alleinlassen und draußen mitmachen?“
Mit taumelnden Schritten ging ich zur Tür und machte sie auf. Und ohne noch einen einzigen Blick an mich zu vergeuden, schoss mein Spaniel hinaus. Ich hörte, wie er eilig die Treppe hinunterhopste und unten zur Tür raste. Und kurz darauf sah ich ihn über den Hof sausen und dann quer über den Geländestreifen, der den Hof von der Übungswiese trennte.
Ich wankte zum Bett zurück, bettete mich möglichst bequem und gab mir Mühe, nicht zu enttäuscht zu sein.
Zum Glück hat jedes Unglück einmal ein Ende, oft schneller, als man glaubt. Jedenfalls war ich schon am übernächsten Tag wieder genügend erholt, um mich zu Tante Di und Babs an den Frühstückstisch zu setzen.
Ich kam mir vor wie neugeboren!
Nachdem wir unsere Eier mit Speck verspeist und gerade den letzten Schluck Kaffee ausgetrunken hatten, tauchte der Postbote vor dem offenen Fenster auf und lieferte ein Paket ab. Sofort schnürte die Tante es auf und verteilte den Inhalt auf dem Frühstückstisch.
Neugierig starrten Babs und ich, was da zum Vorschein kam. Es waren drei gleiche, rot emaillierte Dosen von der bekannten Fabrik im Pony Forest, wo Tante Di wohnte, und an jeder hing ein sorgsam beschriftetes Schild mit den Namen: Tante Di, Babs, Jackie.
„Lenny schenkt uns etwas!“, brachte ich fassungslos hervor. „Und hat auch noch mit seiner ungeübten Hand unsere Namen darauf geschrieben!“
Babs hatte sofort neugierig ihre Dose geöffnet. Ein kleines Kissen aus rotem Samt kam zum Vorschein, und darauf lag eine Brosche – mit dem Bild eines Pferdes, eines braunweißen Pferdes aus dem Pony Forest, das unverkennbar Babs’ Pferd Patch darstellen sollte. Begierig riss auch ich den Deckel von meiner Dose. Darin befand sich, wie erwartet, auf rotem Samtkissen eine Brosche, auf der in Emaille mein Misty dargestellt war.
„Nun musst auch du nachschauen“, drängte Babs Tante Di. „Eine Brosche von Tearaway kann nicht in deinem Etui sein.“
Tante Di hob den Blick von Lennys Brief, der ebenfalls in dem Paket gewesen war, und öffnete lächelnd ihre Dose. Babs hatte recht: Eine Brosche von Tearaway hatte Lenny nicht auftreiben können. Und doch war das abgebildete Pferd, ein schwarzmähniges kastanienbraunes Tier, dem hochbeinigen Tearaway gar nicht so unähnlich.
„Findet ihr das nicht auch eine reizende Idee?“, schwärmte Babs. „Lenny ist doch ein lieber Kerl! Bestimmt hat er lange sparen müssen, ehe er drei solche Broschen kaufen konnte.“
„Was schreibt er denn, Tante Di?“, fragte ich, wobei ich mir vorstellte, wie Lenny seinen strohblonden Schopf übers Papier beugte, um mit dem ungeliebten Schreibstift fertig zu werden. „Will er bald herkommen?“
Liebe Tante Di, Jackie und Babs, las die Tante vor. Es tut mir sehr leid, dass Jackie einen so schweren Sturz hatte. Hoffentlich geht es ihr
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