Reiterferien am Meer
Don hielt ihn zurück. Offenbar hoffte er, Kopf an Kopf mit einem anderen Pferd würde der Dreijährige sich ständig herausgefordert fühlen und in unbändiger Laune besser springen als während des langweiligen Übens auf der Weide des Folly-Hofes.
Kopf an Kopf galoppierten wir an einem Dickicht entlang. Mit geblähten Nüstern, lang gestrecktem Hals und angespannten Muskeln bemühte sich Misty in fröhlicher Aufregung, Tearaway zuvorzukommen.
Der Pfad führte weiter an dem Dickicht entlang, das eine sanfte Biegung machte. Schon tauchte das zweite Hindernis auf: eine Hecke aus Ginster, die, durch ständiges Schneiden niedrig und fest gefügt, eine ausgezeichnete Hürde bildete. Dicht nebeneinander, Kopf an Kopf, flogen das große und das kleine Pferd darüber hinweg. Tearaway sprang wirklich großartig, kein bisschen ungelenk, auch nicht mehr zu hoch wie neulich, als Tante Di sich abgemüht hatte, ihn über den Zaun auf der Übungswiese zu bringen.
Weiter ging es den Weg entlang, nun in ein Wäldchen hinein. Gespannt lenkten Don und ich unsere Pferde einen Gras bewachsenen Hang hinunter, wobei wir uns ganz tief über die Pferdehälse bückten, um dem Peitschen der Zweige auszuweichen. Weiter drangen wir in eine glitschige Schlucht ein, an deren Ende hinter einem Zaun ein Bach schimmerte.
Misty kannte den Zaun und er wusste, was ihn erwartete. Ich spürte, wie er die Muskeln anspannte, um Kraft für den Sprung zu sammeln. Auch Tearaway, immer noch dicht neben ihm, schien einen Augenblick lang Maß zu nehmen. Dann richtete er die Ohren steil auf, beschleunigte den Schritt, setzte zum Sprunge an, stieß sich mit den Hinterbeinen kraftvoll ab – und flog mühelos über den Zaun hinweg.
Misty folgte ihm eine knappe Sekunde später, aber auf dem ausgetrockneten harten Boden kam er ins Straucheln. Doch nur kurz zauderte er, dann hatte er sich gefangen und lief weiter, spürbar ermüdet und doch nicht bereit, hinter dem Gefährten zurückzubleiben. Dicker Schweiß rann ihm über den Nacken, doch er reckte den Kopf ganz weit vor und jagte dahin, angetrieben von der Kraft seines ehrgeizigen Herzens. Ganz lang gestreckt, mit angelegten Ohren, ohne Rücksicht auf die Rasenstücke, die Tearaway ihm mit den Hinterbeinen ins Gesicht schleuderte, ließ er nicht locker.
Mit einem Vorsprung von eineinhalb Längen ging Tearaway das letzte und schwierigste Hindernis an, einen recht imposanten, massiven Zaun von etwas über einem Meter Höhe.
Jetzt kam es darauf an: Würde Tearaway mit den Nerven durchhalten? Erschrocken beobachtete ich, wie eines seiner Ohren zu zucken begann. Drüben auf der Weide grasten nämlich mehrere Kühe, und sie schienen das Pferd zu beunruhigen. Jedenfalls lenkten sie es ab, und so missriet der Anlauf, Tearaway tat einen Sprung zur Seite. Geistesgegenwärtig wich Misty ihm mit einem Ruck aus; ich konnte deutlich sehen, wie Don heftig am Zügel riss, um sein Pferd wieder in die rechte Bahn zu bringen.
Da begriff ich erschrocken, dass Schlimmes sich anbahnte.
„Pass auf, Don!“, schrie ich. „Ich bin direkt hinter dir, wir prallen zusammen!“
„Achtung, Don!“, schrie ich erneut, als Tearaway ganz dicht vor mir ungelenk jenseits des Zaunes aufsetzte.
Misty sauste genau auf ihn zu. Mit aller Kraft riss ich ihn beiseite.
Doch es erschien unmöglich, einen Zusammenstoß zu verhindern. Wieder riss ich Misty am Zügel, und mein Pferd versuchte die Richtung des Sprunges noch in der Luft zu ändern. Nur ein paar Zentimeter neben Tearaway berührten die Vorderhufe den Boden, mit den Hinterhufen jedoch blieb Misty am Zaun hängen. Ich verlor den Halt im Sattel, wurde vorwärtsgeschleudert und stürzte über Mistys Kopf hinweg in ein Brombeergestrüpp.
Nach dem ersten Schrecken richtete ich mich auf und begann mich aus den Fängen der stechenden Brombeerranken zu befreien. Ganz benommen und wie durch einen Schleier sah ich Misty: Er stand erschrocken und hilflos zwei Meter neben dem Zaun.
Auch Don erblickte ich, zunächst undeutlich, dann klarer: Ein gutes Stück entfernt jagte er dahin und versuchte, sein durchgehendes Pferd wieder in die Gewalt zu bringen.
Mühsam wollte ich hochkommen, doch immer wieder gaben die Beine unter mir nach. So sackte ich in sitzende Stellung zurück und bettete den Kopf zwischen die Knie. Bewegungslos starrte ich in die wallenden Nebel um mich und versuchte, sie mit angespannter Willenskraft zu durchdringen.
Nach einer Weile hörte ich aus der Ferne nahende Hufe. Und
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