Reiterhof Birkenhain 01 - Aufregung im Stall
Pfosten des Schaukastens, öffnete die Glasscheibe und begann mit den letzten Handgriffen.
Rechts oben war der Platz für Jules Text vorgesehen. Mit dünnen Pinnnadeln steckte er das Blatt fest, danach seine drei Fotos. Fertig. Bastian trat einen Schritt zurück, um sein Werk zu betrachten.
Was hatte Jule eigentlich geschrieben? Gestern Abend waren sie sich alle zusammen einig gewesen, dass noch ein witziger Text in den Schaukasten gehöre. Jule war unschlagbar, wenn es darum ging, jemanden zum Lachen zu bringen. In diesem Fall sollten die Besucher ihre »Lachopfer« sein. Das stand auf Jules Zettel:
ACHTUNG! BETRETEN AUF EIGENE GEFAHR!
Das war in riesengroßen Buchstaben geschrieben. Dann ging es weiter:
Wer diese Reitschule besucht, setzt sich großer An steckung s gefahr aus!
Der Krankheitserreger ist unter dem Namen Pferde bazillus bekannt.
Er verbreitet sich seuchenartig; ähnlich rasend wie Windpocken oder die Abneigung gegen Mathe.
Bei Kindern, die bereits befallen sind, kann das Pferdefieber sich in der Stallgasse verschlimmern. Krankheitsanzeichen: Unstillbarer Drang in die Nähe von Pferden und Reitställen zu kommen. Zwanghafter Trieb Pferdebilder aufzuhängen. Auffallende Bevorzugung von Reitschulen gegenüber allen anderen Schulen.
Arztbesuche sind zwecklos. Die Seuche ist nach heutigem Stand der Wissenschaft unheilbar.
Bisher wurden keine wirksamen Gegengifte gefunden.
In Einzelfällen können sich auch Erwachsene anstecken.
Kinder haften für ihre Eltern.
»Ansteckungsgefahr« und »Pferdebazillus« waren mit Filzstift dick unterstrichen. Das fiel schon von der Straße ins Auge.
Als Bastian die Scheibe des Schaukastens schloss und zum Hof hinunterlief, lachte er immer noch. Wenn die Besucher das nicht witzig fanden ...
»Klasse, dein Text«, sagte er grinsend, als ihm Jule auf der Stallgasse mit Sally entgegenkam.
Jule wurde ein bisschen verlegen. Bei ihr zu Hause waren Komplimente so selten wie Treibeis in der Sahara. Darum wusste sie nie, wie sie auf Lob reagieren sollte.
»Schon gut«, sagte sie nur und wechselte schnell das Thema. »Machst du Sally fest? Dann besorge ich Mähnengummis und Klebeband.«
Bastian nickte und klickte zwei Stricke rechts und links in Sallys Halfter. Zu beiden Seiten der Stallgasse standen Pfosten mit großen Ringen, an denen man die Enden der
Stricke festbinden konnte. Beim Einflechten musste ein Pferd ruhig stehen.
Jule bahnte sich durch die zusammengesteckten Köpfe der Killerbienen einen Weg zum Schrank.
Immer mussten sie im Weg sein! Genau hinter ihrer Bank stand der Lagerschrank, in dem Werkzeug, Medikamente und Pflegemittel untergebracht waren. Jule beugte sich über die Köpfe, um an die Tür mit der Aufschrift »Sonstiges« zu gelangen. Dieses Fach zu öffnen war jedes Mal spannend.
Dahinter sollte im Grunde alles liegen, was nicht aussah wie Kneifzangen, Salbentuben oder Lederöl-Flaschen. Dummerweise machte aber das, was nicht so aussah, den weitaus größten Anteil des Stallzubehörs aus. Die Wahrheit war darum, dass das Fach »Sonstiges« zwar aus allen Nähten platzte, aber nie das enthielt, was man suchte. Im Grunde brauchte man in einer Reitschule mindestens 500 Schränke für Sonstiges, um alles unterbringen zu können.
An diesem Tag hatte Jule aber Glück. Die Mähnengummis lagen zum Greifen nahe, genau zwischen der Dose mit Katzenfutter und einem Malerpinsel. Das heißt, sie hätten zum Greifen nahe gelegen, wäre nicht der Zugriff durch die Mädchen erschwert worden.
Jule stieß leise Verwünschungen aus und angelte sich die Gummis über die Köpfe hinweg.
»Schon mal dran gedacht, dass es sich hier um einen Reitstall handelt?«, fragte sie bissig, als die Mädchen keine Anstalten machten ihrem Beispiel zu folgen und auch mit dem Flechten der Zöpfe zu beginnen.
»Mach dich nicht so wichtig«, zischte Mia-Mathilde Ger-lach und ihre Zwillingsschwester sagte: »Genau.«
Jetzt werden sie sich überlegen, wie sie mir den Angriff auf ihre Ehre heimzahlen können, dachte Jule. Aber das war ihr egal.
Dafür hatte der Stich bei den Pubertäts-Bienen gesessen. Auch wenn sie so taten, als wollten sie sowieso gerade an die Arbeit gehen. Jedenfalls verteilten sie sich endlich auf die Boxen, um die Mähnen einzuflechten.
Bastian hatte einen Strohballen neben Sally geschoben. Das Einflechten ging leichter, wenn man höher stand. Sonst erlahmten die Arme. Geschickt begann Jule Sallys dichte Mähne in zwanzig schmale Strähnen abzuteilen,
Weitere Kostenlose Bücher