Reiterhof Birkenhain 05 - Strumnacht am Meer
nach ihrer Mutter jammerte.
»Hilfe!«
Das war Jasmin. »Der Ankum ... Hilfe.«
Im Nu sprangen alle von ihren Stühlen und Bänken auf und liefen auf den Hof, wo Anna schreiend auf dem rechten Fuß hüpfte.
»Das schwarze Pferd hat mich getreten«, heulte sie. »Und gebissen auch.«
Jasmin nickte. »Ich habe es genau gesehen.«
Conny sah auf einen Blick, dass Anna das falsche Bein anhob.
»Fuß wechseln«, flüsterte sie, ohne die Lippen zu bewegen. Anna schaltete gleich und sprang auf das linke Bein. Hoffentlich merkte Herr Jensen nichts.
»Du meinst doch nicht etwa Ankum?«
Kai Jensen kümmerte sich sofort um Anna. Er hob sie hoch und setzte sie auf die Bank vorm Stiefelraum. Bereitwillig krempelte Anna ihr rechtes Hosenbein hoch. Der Fleck über ihrem Knie, in verschiedenen Blautönen, hätte jede Maskenbildnerin beim Film vor Neid erblassen lassen. Echter konnte wirklich kein Huftritt aussehen.
Frau Mühlberg fuhr sich durchs Haar. »So kenne ich meinen Ankum gar nicht. Hat er sich denn so verändert?«, fragte sie bestürzt.
»Der ist lebensgefährlich«, schluchzte Anna. Phantastisch, wie natürlich sie weinen konnte. »Hier«, sie zeigte auf die geschwollene Stelle an ihrem Oberarm. »Gebissen hat er mich auch.«
»Ein Glück, dass Sie ihn kaufen wollen.« Conny nutzte die Gunst der Stunde, um Ulrike Mühlberg zu verwirren. Obwohl sie ihr eine Sekunde lang Leid tat. Man konnte gegen die Frau im Grunde nichts sagen. Außer, dass sie Ankum haben wollte.
»Ich würde ihn sowieso nicht mehr reiten«, sagte Jule mit finsterer Miene. Rike setzte noch einen drauf. »Ich wollte es euch ja erst nicht sagen - aber der Ritt am Strand mit ihm, der war geradezu lebensgefährlich.« Ronja und Luisa hielten sich ganz heraus.
Mit einer Spur von Argwohn musterte Herr Jensen die Mädchen und schaute dann zu seinem Friesen hinüber, der die Szene von der Wiese neugierig betrachtete. Der Wind nahm beständig zu und wehte Ankums imposante Mähne hoch. Sprachen sie wahrhaftig von ihm, seinem liebsten Schulpferd? Woher kam der plötzliche Wandel?
»Warum bist du überhaupt auf die Weide gegangen?«, wollte Jensen von Anna wissen, die sich unentwegt ihr zerzaustes Haar aus der Stirn strich. »Und wieso hat er geschlagen? Das hat er noch nie getan.«
Er stellte dann noch eine Menge Fragen, die Anna nicht beantworten konnte. Sie wurde immer kleinlauter. »Das kam alles so plötzlich. Auf einmal biss er mir ins Bein. Nein, er schlug zuerst. Oder ...«
Nach dem glänzenden ersten Akt verstrickte Anna sich nun leider in Widersprüche.
Frau Mühlberg, die die ganze Zeit nicht mehr gesprochen hatte, beugte sich über Annas Arm und untersuchte den roten Fleck.
»Sieh an«, sagte sie nur.
Huschte da etwa ein Lächeln über ihr Gesicht? Jetzt fiel es auch den Mädchen auf - so eine kleine Bissstelle konnte unmöglich von Pferdezähnen stammen.
Frau Mühlberg strich über die blaue Stelle an Annas Bein. Als sie danach Heidelbeermarmelade an den Fingern hatte, lachte sie laut auf. Fairerweise petzte die Besucherin aus Krefeld nicht. Sie schickte alle Zuschauer weg - auch Herrn Jensen. Nur die Hamburger Mädchen und die Drillinge sollten bleiben. Natürlich auch Anna und Jasmin.
»So etwas Ähnliches haben wir uns früher auch ausgedacht«, sagte sie lächelnd, »wenn ein Schulpferd verkauft werden sollte.«
Sie sah nicht böse aus. Vielmehr grenzenlos erleichtert. Ulrike Mühlberg hatte sie voll durchschaut.
»Eure Vorstellung war in der Tat bühnenreif«, gab sie zu.
Dann erzählte sie von früher.
Dass Ankum ihr viele Jahre gehört hatte. Dass sie ihn schweren Herzens verkaufen musste, weil ihr Mann verunglückt war und sie keine Zeit mehr für ihr Pferd hatte. Wie sie Ankum im Werbespot wieder erkannt hatte. Dass ihr Mann vor zwei Jahren gestorben war. Und dass sie nun von Krefeld nach Hamburg umziehen wollte und Ankum gern zurückkaufen würde. »Natürlich bleibt er auf dem Reiterhof Birkenhain«, versprach sie. »In seiner vertrauten Box. Das tue ich Ankum nicht an, dass er wieder den Stall wechseln muss. Für euch würde sich also gar nicht viel ändern. Was ist -könntet ihr damit leben?«
Eine plötzliche Windböe wirbelte einen Plastikeimer hoch und ließ ihn über den Hof trudeln. Bevor die Mädchen den neuen Stand der Dinge beraten konnten, steckte Herr Harms seinen Kopf durch den Türspalt. »Schluss mit der Geheimkonferenz.« Er kam mit Kai Jensen nach draußen.
»Scheint ein Sturm aufzukommen«, sagte
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