Reiterhof Birkenhain 05 - Strumnacht am Meer
Herr Harms. »Ich muss nachsehen, ob im Stall alles dicht ist.« Stim-runzelnd sah er hoch. Graue Wolken jagten über den Himmel. »Das passt mir gar nicht, morgen wollte ich mit dem Mähdrescher aufs Feld.«
Kai Jensen setzte sich zu den Mädchen auf die Bank. »Na, was war nun mit Ankum? Blinder Alarm?«
»Hm«, machte Anna und zog rasch das Hosenbein nach unten.
Ulrike Mühlberg stellte die ganze Sache als Generalprobe für ein Theaterstück dar, das die Mädchen am nächsten Tag aufführen wollten.
Herr Jensen glaubte kein Wort.
Glücklicherweise forschte er nicht weiter nach, sagte aber ohne ein Augenzwinkern, er könne unangenehm werden, wenn jemand seine Pferde schlecht mache. Ganz unangenehm. Außerdem fing er wieder mit der leidigen Nummer an, dass es sein Reitstall sei und seine Pferde und so weiter.
Bevor er sich steigern konnte, entkrampfte Ulrike Mühlberg die Situation, indem sie davon schwärmte, wie gut ihr der Reiterhof Birkenhain bei ihrem Stopp in Großmoorstedt gefallen habe. Und dass Ankum weiter mit Brinkum und Sally auf der Weide stehen solle. Und sie berichtete von dem Reitershop, den sie in Großmoorstedt eröffnen wolle.
»Bis dahin fließt noch viel Wasser durch die Elbe«, sagte Herr Jensen. »Außerdem brauche ich erst mal ein neues Schulpferd, bevor ich Ankum weggeben kann.«
Die Mädchen zogen es vor, zu schweigen.
Man müsste die Mühlberg erst eine Weile beobachten. Ob sie würdig war Ankum zu bekommen. Bisher konnte sie allerdings bereits vier Pluspunkte verbuchen: 1. Ankum mochte sie. 2. Sie petzte nicht. 3. Ankum sollte auf dem Hof bleiben. 4. Ihr neuer Reitershop.
Für ein endgültiges Urteil war es natürlich noch zu früh. Irgendwie waren aber alle erleichtert, dass das UlrikeMühlberg-Versteckspiel endlich vorbei war.
9. Kapitel
Der Orkan tobt
Kai Jensen besaß so viel Anstand, am nächsten Morgen nicht nach dem Theaterstück zu fragen, das angeblich aufgeführt werden sollte. Oder hatte er Ankums vorgespiegelte Straftat wirklich vergessen?
Jedenfalls hatte man Donnerstag früh auf dem Reiterhof Harms andere Sorgen als Heidelbeer-Huftritte.
Das Stürmchen, das über Nacht zu einem ausgewachsenen Sturm herangewachsen war, flaute frühmorgens wieder ab. Hals über Kopf fuhr Henning Harms mit Kai Jensen aufs Feld, um den Weizen zu ernten.
Bei Wind konnte man nicht dreschen. Die Halme, das spätere Futterstroh für die Pferde, flogen dann wie Konfetti durch die Gegend und waren über alle Berge. Die Flaute musste sofort für die Ernte genutzt werden.
Eine merkwürdig stechende Sonne und die unheimliche Windstille machten das Wetter verdächtig.
War es die Ruhe vor dem großen Sturm?
Im Frühstücksraum ging es weniger ruhig zu.
Antje Harms, die Drillinge und die Betreuerinnen sahen alle paar Minuten nach dem Wetter. Ständig stand einer von ihnen vom Tisch auf, ging ans Fenster und schob die Gardine zur Seite. Im Wipfel des Mirabellenbaumes sah man am deutlichsten, ob der Wind wieder auffrischte. Conny und Jule fanden das ewige Nachsehen reichlich übertrieben.
Ronja sagte ein paar Mal: »Ihr habt noch keinen Nordseesturm mitgemacht, aber wir.« Wenn sie das mit tiefer Stimme sagte, klang sie wie ein uralter Seebär, der im nächsten Moment von seinem zehnten Schiffbruch erzählen würde.
Schließlich drehte Frau Harms das Radio auf dem Geschirrschrank an.
»Möglich, dass sie eine Unwettermeldung bringen.«
Bei dem ständigen »pssst« und »haltet doch mal den Mund« konnte niemand mit Vergnügen in sein Brötchen beißen. Nach den Kurznachrichten um halb neun meldete Radio Schleswig-Holstein eine Unwetterwarnung.
Für die gesamte deutsche Nordseeküste besteht die Gefahr einer schweren Sturmflut. Die aktuellen Winddaten: Deutsche Bucht zehn bis elf, in Spitzen bis Stärke zwölf. Achtung Autofahrer: Die Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal kann wegen des Sturms zeitweise unpassierbar sein.
»Cool - eine Sturmflut.«
Anna klatschte vor Begeisterung in die Hände. Auch
Rahel, Aline und Mascha freuten sich diebisch. Eine original Sturmflut! Wenn sie das zu Hause erzählten ... »Man merkt, dass ihr Landratten seid«, sagte Rita. »So etwas ist eine Katastrophe. Und ziemlich uncool.« ••Hoffentlich muss ich nicht b:cchen.« Jasmin fürchtete sich.
»Ach ja, Jasmin, deine Mutter ...«
Frau Harms schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Die muss doch über die Hochbrücke. Das geht ja gar nicht. Ich telefoniere gleich mit ihr.«
Als Frau Harms
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