Reiterhof Birkenhain 08 - Achtung Pferde in Not
Joseph war völlig überrumpelt. Hatte er richtig gehört? Zögernd nickte er.
»Also abgemacht«, sagte Inge Schneider zufrieden. »Ich brauche ein paar neue Boxen drüben, hinter dem alten Stall. Können Sie die bauen?«
Joseph griff ihre Hand und bedankte sich überschwänglich. Er wechselte dauernd zwischen Deutsch und Polnisch, so durcheinander war er.
»Wir gehen jetzt herein und rufen bei Ihrem Chef an.« Fast brüsk wechselte Frau Schneider das Thema. Zu viel Dankbarkeit war nichts für sie. Sie tat, was sie für richtig hielt. Basta. »Mal hören, welchen Preis er für die Pferde haben will.«
Nach einer Weile kamen die beiden und Wenzel zurück, der übersetzen musste.
Frau Schneider strahlte übers ganze Gesicht.
»Eine Hürde ist genommen. Er hat zwar furchtbar viel Theater gemacht. Egal, das Ergebnis ist - er verkauft uns die Pferde.« Sie zog eine blaue Strickjacke über, die sie aus dem Haus mitgebracht hatte. »Aber zwei große Hürden stehen uns noch bevor. Wir müssen das Geld auftreiben und Plätze für die Pferde finden.«
Mit einem Aufschrei fielen sich Conny und Imke um den Hals. »Und alles nur, weil wir Deichgraf gesucht haben«, jubelte Imke. »Sonst wäre etwas Schreckliches mit all den Pferden passiert.«
Nachsichtig lächelte Frau Schneider. »Mit euch passiert auch etwas Schreckliches, wenn ihr weiter in den dünnen T-Shirts herumlauft«, mahnte sie. »Entweder gehen wir alle ins Haus oder ihr zieht euch etwas über.«
Der Abend war tatsächlich von einem Moment zum anderen kühl geworden. Feuchtigkeit zog von den Grasflächen hoch. Milchiger Dunst waberte über den Hof. Trotzdem wollte keiner hineingehen. Die Mädchen holten sich ihre Pullover aus Jensens Auto. Auf der Außenbank war es viel aufregender als im Haus. Nicht nur, weil man die Pferde von da aus im Blick hatte. Auch deswegen, weil ständig Autos anhielten, die auf der Straße vorbeikamen. Der rote Schandfleck vor dem Haus, Josephs Lkw-Ungetüm, machte jeden neugierig. Die meisten Leute in der Umgebung kannten Frau Schneider und ihre Leidenschaft, missbrauchten Tieren zu helfen. Viele riefen durch ihre Autofenster: »Ich komme nachher auf einen Sprung vorbei, Inge.«
Einige fuhren gleich auf den Hof, um nähere Einzelheiten zu erfahren.
Zuerst gesellten sich drei Nachbarn zu der Runde, später kamen Freunde aus der ganzen Umgebung. Aus Osnabrück, Aurich und Bremen. Es herrschte ein Gewusel auf dem Hof wie bei einem Volksfest. Inge Schneider schleppte ständig neue Kannen mit Kaffee heran. Conny, Imke und Kai Jensen erzählten zum zehnten Mal, wie sie auf die Spur des Pferdetransporters gekommen waren.
Lautstark beratschlagte man, wer die geretteten Pferde aufnehmen könnte. Und für Joseph hatte fast jeder einen kleinen oder größeren Auftrag. Arbeit würde der gekündigte Lkw-Fahrer demnächst genug haben. Mehrmals wischte Joseph Jabionski sich verstohlen ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. Dass er so viel Beistand fand, hatte er nicht erwartet.
Für die meisten Pferde hatte man bis zum Einbruch der Dämmerung einen Platz gefunden.
Zwei Bauern bei Aurich wollten vier Tiere aufnehmen. Einige Pferde konnten ins Osnabrücker Land vermittelt werden. Sechs, die ärmsten, würden Zuflucht auf einem Gnadenhof an der Weser finden. In der Pferde-Oase bei Brake sollten sie einen schönen Lebensabend verbringen. Den schwachen Fuchs wollte Inge Schneider bei sich behalten.
Das Problem blieb das Geld. Einmal musste der Kaufpreis Zusammenkommen, zum anderen die monatlichen Kosten für die Unterbringung der Pferde.
»Aber die meisten kommen doch auf einen Gnadenhof«, warf Imke verwundert ein. »Der kostet doch nichts.« »Auch ein Gnadenhof muss bezahlt werden«, klärte Frau Schneider die Mädchen auf. »Was glaubt ihr, wie teuer Futter ist. Und Stroh, Tierarzt, Schmied. Das sind jeden Monat ein paar hundert Mark pro Pferd.«
Sie berieten, bis die Köpfe rauchten.
Conny kam schließlich auf die beste Idee.
»Wir könnten doch Patenschaften übernehmen. Für jedes Pferd. Ich sammle bei uns im Stall. Und zu Weihnachten wünsche ich mir Geld für den Gnadenhof.« »Ich auch«, sagte Imke. »Bastian, Jule und die anderen machen sicher auch mit.«
Frau Schneider war begeistert und gratulierte Kai Jensen zu seiner cleveren Reitschülerin.
Trotzdem blieb das Problem, wie man bis übermorgen genügend Geld für den Kauf der Pferde auftreiben sollte. Man musste Tierfreund für Tierfreund einzeln ansprechen und um eine
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