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Reizende Gäste: Roman (German Edition)

Reizende Gäste: Roman (German Edition)

Titel: Reizende Gäste: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Kinsella
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erklomm er die breite Treppe. Im Gang oben herrschte Totenstille. An der obersten Stufe blieb er stehen und lauschte. Aber nichts war zu hören. Nachdem er sich noch einmal umgeblickt hatte, um sicherzugehen, daß er nicht beobachtet wurde, schlich sich Lambert zu Richards Arbeitszimmer. Es war ein abgelegener Raum, völlig getrennt von den Schlafzimmern und gewöhnlich verriegelt. Wenn ihn dort jemand sah, konnte er unmöglich vorgeben, daß er sich versehentlich dorthin verlaufen hatte.
    Nicht, daß es etwas ausmachen sollte, dachte Lambert und umschloß den Schlüssel in seiner Hosentasche. Richard vertraute ihm. Immerhin hatte er ihm den Schlüssel seines Arbeitszimmers gegeben – nur für den Notfall, hatte er gesagt. Wenn er gefragt würde, dann könnte Lambert sagen, daß er nach einer Information die Firma betreffend gesucht hätte. Dabei bewahrte Richard eigentlich kaum Firmeninformationen zu Hause auf. Aber im Zweifelsfalle würde Richard zu Lamberts Gunsten entscheiden. Das taten die Leute im allgemeinen alle.
    Die Tür zum Arbeitszimmer war zu. Doch als er versuchte, den Schlüssel umzudrehen, merkte er, daß sie gar nicht verriegelt war. Rasch steckte er den Schlüssel in seine Tasche. Auf diese Weise würde er sich im Fall einer Entdeckung auf sicherem Boden bewegen (»Ich habe gesehen, daß die Tür offenstand, Richard, und da habe ich lieber nachsehen wollen …«). Er ging hinein und steuerte eilig auf den Aktenschrank zu. Bankauszüge, murmelte er leise. Bankauszüge. Er öffnete eine Schublade und begann, die Akten durchzugehen.
    Fünfzigtausend Pfund, viel Geld war das nicht. Auf jeden Fall nicht für jemanden wie Richard. Richard hatte soviel Geld, daß er diese kleine Summe mit Leichtigkeit entbehren konnte. Er würde ja überhaupt nie merken, daß es fehlte. Lambert würde sich fünfzig Riesen leihen, seine Probleme bei der Bank damit aus der Welt schaffen und das Geld dann zurücktransferieren. Fünftausend Pfund hier, zehntausend Pfund da – er würde es stückchenweise herausnehmen und es zurückgeben, sobald es ging. Solange am Jahresende unterm Strich alles wieder stimmte, würde keiner etwas mitbekommen.
    Richards Unterschrift zu fälschen war kein Problem. Auch die Überweisungen stellten keine Schwierigkeiten dar. Die Entscheidung, von welchen Konten man das Geld abheben sollte, war schon kniffliger. Schließlich wollte er nicht später entdecken müssen, daß er sich am Haushaltskonto gütlich getan oder am Urlaubskapital diesen Jahres vergriffen hatte. Er kannte Richard, vermutlich war jeder Geldbetrag, ob groß oder klein, für etwas Bestimmtes zurückgelegt. Er würde vorsichtig sein müssen.
    Lambert schob die Schublade wieder zu und öffnete die darunter. Wieder ging er die Akten durch. Plötzlich ließ ihn ein Geräusch aufhorchen. Etwas war hinter ihm. Etwas oder jemand …
    Er wirbelte herum und spürte, wie sein Gesicht ungläubig erstarrte. Niemand anderes als Fleur saß mit übergeschlagenen Beinen an Richards Schreibtisch. In seinem Kopf begannen sich die Gedanken zu überschlagen. War sie schon die ganze Zeit hier gewesen? Hatte sie gesehen, wie …
    »Hallo Lambert«, grüßte Fleur ihn freundlich. »Was tust du denn hier?«
    Mit einem zufriedenen, aber auch leicht enttäuschten Ge-fühl beendete Philippa die letzte Buchseite und lehnte sich zurück, noch ganz erfüllt von der Erzählung; in ihrer Nase vermischte sich der Geruch der Sitzpolster mit dem von Lamberts Pfefferminzbonbons. In dem Versuch, in die Wirklichkeit zurückzufinden, öffnete sie die Tür und holte benommen Luft. Aber im Geist befand sie sich noch immer mit Pierre, dem Skilehrer, in den Schweizer Alpen. Pierre preßte seinen männlichen Mund auf ihren; er strich ihr übers Haar; im Hintergrund spielte Musik … Als Gillian plötzlich an den Wagen klopfte, stieß sie einen Schrei aus und zuckte zusammen. Dabei stieß sie sich den Kopf am Wagenfenster an.
    »Ich war Erdbeeren pflücken«, erklärte Gillian. »Möchtest du etwas trinken?«
    »Oh«, sagte Philippa. »Ja, eine Tasse Kaffee wäre nicht schlecht.«
    Mit steifen Beinen stieg sie aus dem Auto, strich sich die Kleidung glatt und folgte Gillian ins Haus. In ihrem Kopf verblaßten Pierre und die Alpen wie ein schlecht erinnerter Traum.
    »Ist Daddy fortgegangen?« Schwach ließ sie sich auf einem Küchenstuhl nieder.
    »Er ist bei einer Besprechung mit Oliver Stendale«, erwiderte Gillian. »Antony ist auch unterwegs.« Sie füllte den Kessel

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