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Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Titel: Rembrandts Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Guggenheim
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Löcher im Eis offen waren, damit jederzeit Löschwasser aus dem Kanal geholt werden konnte. Die Angst vor einem Feuer war allgegenwärtig.
    Ich selbst hatte vor drei Jahren einen Brand in Muiderkamp erlebt, bei dem fast die Hälfte unseres Dorfes zerstört worden war. Zum Glück hatte das Feuer die Straße, in der unser Haus stand, verschont. In Amsterdam waren die meisten Häuser aus Stein. Aber bei uns auf dem Land wurde mit Holz gebaut.
    Wir überquerten die Prinsengracht und gelangten rechter Hand zur Reestraat. Der frostige Boden knirschte unter unseren hölzernen Überschuhen. Rebekka hielt sich an meinem Arm fest, um nicht auszurutschen. Sie wickelte ihr dickes braunes Wolltuch, das einige Flickstellen hatte, enger um die Schultern. Ihre Nase war rot vor Kälte.
    „Was soll nur aus uns werden?“, jammerte sie. „Wenn der Meister noch länger krank ist und nicht malen kann, dann wird bald überhaupt kein Geld mehr da sein. Jetzt, wo auch noch Titus von uns gegangen ist und sich niemand mehr um das Geschäft kümmert.“
    Einige dunkle, dick vermummte Gestalten huschten an uns vorbei. Bei diesem Wetter hielt sich niemand gerne länger als nötig im Freien auf. Eine Katze streckte zaghaft ihre Vorderpfoten aus einer Tür, um gleich darauf wieder im Haus zu verschwinden.
    „Der Meister muss seine Frau sehr geliebt haben. Ist sie eigentlich schon lange tot?“, wollte ich wissen.
    „Die selige meesteres Saskia van Uylenburgh ist vor sechsundzwanzig Jahren gestorben. Titus war damals noch nicht einmal ein Jahr alt. Saskia war eine wunderbare Frau, klug, fröhlich. Und sie verstand etwas von Geschäften. Nach ihrem Tod hat sie dem Meister ein Vermögen hinterlassen. Aber er hat innerhalb kürzester Zeit das ganze Geld verschleudert. Durch leichtsinnige Anleihen, aber vor allem durch seine unheilvolle Kaufsucht.“
    „Aber, wie kann sie denn schon so lange tot sein? Cornelia ist doch erst vierzehn Jahre alt.“
    „Das weißt du nicht? Nun, wer sollte es dir auch erzählt haben. Saskia ist die Mutter von dem verstorbenen Titus, und Cornelia ist die Tochter … die Tochter von Hendrickje Stoffels. Ihr Bildnis hängt neben der alten Rüstung im Atelier.“
    Nun begriff ich auch, warum mir das Porträt der jungen Frau in dem roten Kleid immer so vertraut vorgekommen war. Es hatte große Ähnlichkeit mit Cornelia. 2
    Rebekka räusperte sich, dann fuhr sie fort.
    „Hendrickje war nicht wirklich die Ehefrau des Meisters, sie war … seine Haushälterin. Aber ich will nicht darüber richten. Jedenfalls war der Meister in großer Geldnot, er hat sogar das Grab von Saskia in der Oude Kerk verkauft. Irgendwann musste er Konkurs anmelden, sein ganzer Besitz wurde versteigert. Für einen Spottpreis. Möglich, dass das ein abgekartetes Spiel seiner Gläubiger war … Jedenfalls hat Hendrickje zusammen mit Titus einen Kunsthandel eröffnet und den Meister im Geschäft als Mitarbeiter angestellt. Durch diesen Trick hat sie ihn vor dem Schuldgefängnis bewahrt. Außerdem war sie Cornelia eine gute Mutter.“
    „Was ist mit ihr heute?“, fragte ich zaghaft. „Ist sie auch … tot?“
    „Hendrickje, die treue Seele, weilt seit mehr als fünf Jahren nicht mehr unter uns. Zu ihren Lebzeiten hat der Meister ihre Gutmütigkeit reichlich ausgenutzt. Hat sich nach dem Konkurs auf ihre Kosten gleich wieder eine neue Kunstsammlung zugelegt. Von da an waren auch diejenigen schlecht auf ihn zu sprechen, die bis zuletzt noch zu ihm gehalten haben. Falls du es noch nicht bemerkt hast, der Meister hat dich vor allem deswegen eingestellt, weil er das Lehrgeld so bitter nötig hat.“
    Rebekka hatte es mit einem Mal eilig und schritt so schnell voran, wie es ihre wackeligen Beine erlaubten.
    „Beeil dich, Samuel, diese Kälte ist einfach unerträglich. Gleich hier vorne wohnt Doktor de Witte.“
    Sie marschierte auf ein Haus zu, an dessen Mauer ein Schild hing, das eine Flasche zeigte. Niemals zuvor hatte ich das Haus eines Arztes betreten, es gab keinen bei uns im Dorf. Nur manchmal zogen Wanderärzte vorbei, die ihre Dienste auf dem Marktplatz anboten: Knochen richteten, Geschwüre schnitten, Zähne brachen oder Hühneraugen ausstachen.
    Die Tür öffnete sich, eine junge Frau mit einem Säugling auf dem Arm kam uns entgegen. Das Kind war in mehrere Decken eingewickelt und schrie aus Leibeskräften. Die Frau sah blass und übernächtigt aus, ihre Augen waren gerötet.
    In der Diele saßen mindestens ein Dutzend Leute wartend auf

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