Rembrandts Vermächtnis (German Edition)
zu Gunsten der Insassen des Spinhuis’, des Frauengefängnisses, verkauft. Eine Zuckerbäckerin pries Naschwerk in Form von Rosen und Tulpen an. Ein vierköpfiges Dudelsack-Orchester spielte inbrünstig und falsch und musste den Spott einiger Passanten über sich ergehen lassen.
„Im Frühling mag ich die Amstel am liebsten, wenn alles ringsherum blüht und duftet. Sonntags nach dem Kirchgang sind wir wie so viele oftmals aus der Stadt hierher gekommen und auf dem Deich spazieren gegangen.“
Cornelia fuhr abwechselnd auf dem linken, dann auf dem rechten Bein stehend in waghalsigen Schwüngen um mich herum. Sie war im Schlittschuhlaufen viel geschickter als ich.
„Wenn es wieder wärmer wird, dann musst du unbedingt einmal mit mir hierher kommen. Wir nehmen von zu Hause etwas zu essen und zu trinken mit, setzen uns auf eine Bank und füttern die Schwäne. Versprichst du mir das, Samuel?“
Ich sah in ihre Augen, die wie Smaragde schimmerten, nickte wortlos und wünschte mir, dass der Frühling schon bald kommen würde.
„Ich muss dir etwas verraten, Cornelia. Es ist mir erst vorhin wieder eingefallen, weil ich immer nur an das Porträt des Salzhändlers gedacht habe. Ich habe heute Geburtstag.“
Cornelia deutete mit ihrer Hand einen Gruß an, machte einen tiefen Knicks und drehte sich in einer anmutigen Pirouette mehrmals um sich selbst.
„Meinen Glückwunsch, edler Herr. Ich muss dir auch etwas sagen, etwas Lustiges. Gerrit, der Sohn unserer Nachbarn, hat morgen Geburtstag. Er ist also nur einen Tag jünger als du, und gleichzeitig ein ganzes Jahr. Wenn wir wieder zurück sind, will ich in meiner Truhe nachsehen, ob ich ein Geschenk für dich finde.“
Plötzlich rüttelte jemand an meiner Schulter. Der Duft von schwerem, süßlichem Parfum stieg mir in die Nase.
„Guten Tag, ihr beiden schönen Kinder. Möchtet ihr vielleicht wissen, was das neue Jahr für euch bereithält? Madame Luna kann jede noch so feine Linie in eurer Hand deuten und euch die Zukunft voraussagen.“
Eine Frau mit langen, schwarzen Locken und einem feuerroten Umhang war neben uns getreten. Mit ihrer tiefen, dunklen Stimme sprach sie die Worte hart und fremdartig aus. Ihre dunklen Augen funkelten mit unzähligen Goldketten und Armreifen um die Wette. Sie ergriff Cornelias Hand und drehte deren Innenfläche nach oben.
„Was für wunderbare, unverdorbene Linien. Oh, was ist denn das? Die nächste Zeit wird viele Überraschungen für dich bereithalten, mein Kindchen. Ich sehe ein Schiff mit hohen Masten, ein Mann steht an der Reling und winkt. Das Schiff sticht in See, es fährt der aufgehenden Sonne entgegen… Und jetzt zu dir, mein Söhnchen.“
Sie nahm meine rechte Hand und zeichnete mit ihrem Finger die Linien meiner Handfläche nach.
„Aha, das dachte ich mir bereits. Du bist fleißig und strebsam. Und du träumst vom großen Glück, wie jeder Junge in deinem Alter. Allerdings liebst du Prunk und lässt dich leicht blenden. Das kann gefährlich sein. Du wirst auf eine harte Probe gestellt werden. Ich sehe einen schwarz gekleideten Mann, ein Messer und da … Feuer. Seltsam, diese Querfalte neben der Lebenslinie. Zeig mir einmal deine andere Hand.“
Ich reichte ihr meine Linke, die sie aufmerksam untersuchte. Ihre Mundwinkel zuckten, sie hob die Brauen und ließ meine Hand abrupt los.
„Was wolltet Ihr sagen?“, fragte ich erwartungsvoll.
„Nichts.“ Sie drehte sich um und wollte weitergehen.
„Wartet bitte, Madame. Was ist mit dieser Querfalte, was seht Ihr da?“
„Nichts, ich sehe gar nichts. Wahrscheinlich brauche ich einen Schnaps, damit meine Augen wieder klar werden. Mein Alter soll mir was zu trinken holen. Heh, wo steckt dieser Nichtsnutz denn? Immer, wenn man ihn braucht, treibt er sich irgendwo herum.“
Die Wahrsagerin verschwand in der Menge, und ich rätselte, was sie wohl gesehen haben könnte. Vielleicht hatte sie aber in Wirklichkeit überhaupt nichts gesehen und wollte sich nur wichtig machen, versuchte ich mich zu beruhigen.
„Ich hätte ihr meine Hand nicht zeigen sollen. Die Frau hat mir Angst gemacht.“ Cornelia klang verärgert und zog mich am Ärmel. „Ich habe keine Lust mehr, ich will wieder nach Hause.“
Ein Pferdeschlitten zog an uns vorbei. Die Tiere trugen bunte Satteldecken mit Troddeln und auf dem Kopf weiße Federbüschel. Glöckchen an ihrem Zaumzeug bimmelten im Takt der Hufschläge. Einige Läufer hatten eine Kette gebildet, wobei jeder seinen Vordermann an den
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