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Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Titel: Rembrandts Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Guggenheim
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kann mich kaum richtig um die Kleine kümmern.“
    Anna Huijbrecht saß aufrecht im Bett, gestützt von dicken Kissen in ihrem Rücken. Sie hatte eingefallene Wangen und knochige Hände. Ihre spärlichen grauen Haare waren zu einem dünnen Zopf geflochten, der wie ein Kranz um ihren Kopf gesteckt war und unter dem Rand ihrer Schlafhaube hervorschaute. Die alte Frau hörte schwer, dennoch nickte sie fortwährend und lächelte freundlich und zahnlos zu uns herüber.
    „Was kann ich tun, Magdalena?“ Cornelia krempelte die Ärmel ihrer Bluse hoch und legte eine Schürze an. „Heute sollst du dich ausruhen. Ich werde für euch kochen. Braucht deine Mutter eine Medizin?“
    Schon wirbelte sie durch das Haus, stellte Tisch und Stühle nach draußen und wusch sie ab, schrubbte die Böden, wechselte Titia die Windeln und hängte Wäsche auf. Mich schickte sie in die Apotheke, wo ich für Magdalenas Mutter Arnikatinktur und Kräutertee einkaufte. Später hackte ich hinter dem Haus Holz, wie ich es auch von zu Hause kannte. Bald würde es herbstlich kalt werden, und der Kamin in der Stube würde schon nach dem Aufstehen angefacht werden müssen. Ich stapelte die Scheite unter dem vorgezogenen Dach eines Schuppens, wo sie vor der Witterung geschützt waren. Mit diesem Vorrat würden die beiden Frauen sicher mehrere Wochen lang auskommen.
    Zum Mittagessen hatte Cornelia braune Bohnen und gebratene Zwiebeln gemacht, zum Nachtisch gab es Reisbrei mit Pflaumensauce. Weil Anna Huijbrecht nicht aufstehen und sich zu uns an den Tisch setzen konnte, stellte Cornelia das Essen auf ein Tischchen neben ihr Bett. Die alte Frau lächelte und streichelte dankbar ihre Hand. Magdalena aß tapfer ihren Teller leer, obwohl man ihr anmerkte, wie schwer es ihr fiel.
    „Ich will mit Vater reden, dass ich für ein paar Tage zu Euch komme und so lange bleibe, bis du wieder bei Kräften bist“, schlug Cornelia ihrer Schwägerin vor, während sie das Geschirr abwusch.
    „Du bist lieb, Cornelia. Wenn ich mich ein bisschen schonen kann und nicht mehr waschen oder einkaufen muss, wird es mir bestimmt bald wieder besser gehen. Sieh doch mal, Titia lacht dich an. Sie hat dich schon ins Herz geschlossen.“
    Magdalena reichte Cornelia das Kind, das fröhlich brabbelnd die Ärmchen ausstreckte. Cornelia drückte ihre kleine Nichte an sich, wiegte sie in den Armen und summte ein Kinderlied. Als Titia irgendwann eingeschlafen war, hauchte Cornelia ihr einen Abschiedskuss auf die Stirn und legte sie in das Kinderbett unter dem Fenster. Mit einem weichen Wolltuch deckte sie die Kleine behutsam zu. Stumm, damit Titia nicht wieder aufwachte, umarmte sie Magdalena und deren Mutter. Auf Zehenspitzen schlichen wir uns aus dem Haus.

    Kurz bevor wir die Rozengracht erreichten, bemerkte ich zwei etwa gleichaltrige Jungen, die im Torbogen eines Lagerhauses lungerten und offenbar auf jemanden warteten. Als wir an ihnen vorbeigehen wollten, stellten sie sich uns in den Weg, stemmten die Arme in die Seiten und grinsten frech.
    „He, bist du nicht der Gehilfe von diesem Pinselschwinger Rembrandt? Er soll ein komischer alter Kauz sein, sagt man sich. Und obendrein bankrott.“
    Der Junge, der mich so anpöbelte, war kräftig gebaut und mindestens einen Kopf größer als ich. „Wage es nicht, so über meinen Meister zu sprechen!“, raunte ich ihm zu. Ich machte einige Schritte auf ihn zu, und dann sah ich mich in Gedanken auch schon am Boden liegen. Der Kerl hatte sein Bein seitwärts gestreckt, um mich zu Fall zu bringen. Ich stolperte, konnte mich aber im letzten Moment fangen. Blitzschnell drehte ich mich um, und schon schnellte meine geballte Faust nach oben, traf ihn direkt am Kinn. Er schaute mich zuerst ungläubig an, dann geriet er ins Taumeln und fiel rücklings aufs Pflaster, direkt in einen Haufen Pferdeäpfel. Noch während er sich wimmernd das Kinn rieb, lief sein Kumpan eilends davon. Ich nahm Cornelia bei der Hand und schritt hocherhobenen Hauptes weiter Richtung Rozengracht.
    „Dem hast du es aber gezeigt, Samuel. Ich wusste gar nicht, wie stark du bist“, sagte Cornelia und fügte leise hinzu. „Danke, dass du Vater in Schutz genommen hast.“
    Mit einer leichten Verbeugung öffnete ich die Haustür und ließ Cornelia vorangehen. Nunmehr war ich gespannt, welche Verfeinerungen der Meister im Laufe des Tages an dem Bild vorgenommen hätte. Mir blieb noch genügend Zeit, neue Farben für den morgigen Tag zu reiben. Außerdem hatte der Meister

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