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Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Titel: Rembrandts Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Guggenheim
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Professor das Porträt aus zu großer Nähe betrachtete und sich an dem unregelmäßigen Farbauftrag störte.
    Der Medicus machte zuerst einen Schritt zurück und dann einen zur Seite. Er begutachtete die Leinwand mit großer Sorgfalt und wippte dabei mit den Fersen auf und ab. Schließlich räusperte er sich.
    „Nun also, die Komposition scheint mir recht gelungen. Ja, ich würde sagen, man erkennt die Bedeutung des Geschehens. Recht hübsch übrigens der Einfall mit dem Diener, der das Mikroskop bringt. So steht dieses Instrument nicht allzu sehr im Vordergrund und weist dennoch darauf hin, dass ich auf meinem Fachgebiet mit den modernsten technischen Mitteln arbeite.“
    Ich freute mich über die Worte des Professors. Jedoch nicht so sehr, weil die Figur des Dieners meiner Eingebung entsprungen war. Ich freute mich vielmehr darüber, dass der Meister, trotz seiner anfänglichen Skepsis, diese Person doch noch ins Bild gesetzt hatte.
    Nachdenklich rieb sich der Medicus das Kinn und verschränkte die Arme vor der Brust.
    „Allerdings, verehrter Meister, erscheint mir vieles noch, wie soll ich sagen … unfertig.“
    „Ein Bild ist fertig, wenn der Maler seine Absicht in ihm verwirklich hat.“ Der Meister sprach mit ruhiger und fester Stimme. Dennoch konnte ich ihm anmerken, dass seine Gelassenheit nur äußerlich war. Der Professor hob beschwichtigend beide Hände.
    „Selbstredend, selbstredend. Bedenkt aber das Datum meiner Jubiläumsfeierlichkeiten. Bis zum siebzehnten Oktober bleiben nicht mehr als zwei Wochen Zeit.“
    „Verlasst Euch auf mich. Das Portrait wird rechtzeitig fertig werden.“
    Der Meister holte seinen Armlehnstuhl aus der Fensterecke, schob ihn mitten vor die Leinwand und ließ seinen Besucher darin Platz nehmen. Breitbeinig saß der Professor da, stützte die Ellenbogen auf die Armlehnen und neigte den Kopf schräg zur Seite.
    „Ich erwähnte vorhin, verehrter Meister, dass die Bürger von Amsterdam mich zu ihrem neuen Bürgermeister gewählt haben. Aus Respekt vor dieser Entscheidung möchte ich Euch bitten, nachträglich noch meine goldene Amtskette in das Bild einzufügen.“
    „Wie Ihr wünscht.“
    „Schön, sehr schön.“ Der Medicus rutschte auf die Vorderkante des Stuhls, kniff die Augen mehrere Male zusammen und legte die Stirn in Falten.
    „Auch bin ich der Ansicht, dass mein Name auf dem Bucheinband deutlicher zu lesen sein sollte. ‘Adrian van Campen’. Vergrößert die Buchstaben auf das Doppelte. In der zweiten Zeile folgt der Titel ‘De humani pedis fabrica’ und ganz unten dann die Angabe ‘Amsterdam, 1669’. Ihr müsst wissen, dass Professor Nicolaes Tulp, mein geschätzter Vorgänger im Amt, sich insbesondere auf die Erkenntnisse des großen Vesalius bezogen hat. Wohingegen ich aus meinem eigenen Werk unterrichte.“
    „Wie Ihr meint“, brummte der Meister und machte sich daran, die frisch gewaschenen Pinsel für den nächsten Tag zu sortieren, was üblicherweise zu meinen Aufgaben gehörte. Vermutlich wollte er sich mit irgendetwas beschäftigen, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er sich über die Forderungen des Professors ärgerte. Ich kannte meinen Lehrer inzwischen gut genug, um zu spüren, wenn ihm etwas nicht behagte.
    Unterdessen war ich mit dem Reiben fertig geworden und mischte die Pigmente mit einigen Tropfen Leinöl. Von meiner Ecke im hinteren Teil des Ateliers aus konnte ich die beiden Männer ungestört beobachten. Wie bei allen unseren früheren Begegnungen schien der Medicus auch heute nichts von meiner Anwesenheit zu bemerken. Er sah durch mich hindurch wie durch eine blank geputzte Glasscheibe.
    „ ‘Die anatomische Vorlesung des Doktor Adriaen van Campen’, unter diesem Titel soll mein Bild in die Geschichte eingehen. Noch in Hunderten von Jahren wird die Nachwelt mich und meine Forschungen rühmen“, meinte der Professor zufrieden und verschränkte seine hellen, fleischigen Finger vor der Brust.
    Der Meister hüstelte und wandte sich jählings und mit versteinerter Miene an mich.
    „Samuel, sieh einmal nach, wie weit Rebekka mit ihren Vorbereitungen ist. Sie hätte doch schon längst anklopfen sollen.“
    „Na endlich“, rief Rebekka mir entgegen, als ich in die Küche kam, „ich dachte schon, du kommst überhaupt nicht mehr. Es ist alles fertig. Der Meister muss aber nicht annehmen, dass ich da hinaufgehe, solange dieser unerträgliche Mensch noch in der Werkstatt ist.“
    „Aber Rebekka, das ist Professor van Campen,

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