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Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Titel: Rembrandts Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Guggenheim
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versprochen, dass er mir die Proportionslehre erklären wollte.
    „Wirst du mich vermissen, wenn ich für ein paar Tage fort bin?“ Cornelias Frage kam unvermittelt. Ich hielt sie für eine Neckerei. Manchmal hatte sie großen Spaß daran, mich zu verunsichern. Dann blitzten ihre Augen und die Nasenflügel bebten. Weil aber ihre Miene diesmal ernst war und ich keinerlei Spottlust darin erkennen konnte, antwortete ich ehrlich und geradeheraus.
    „Du wirst mir fehlen, Cornelia. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich die Zeit ohne dich aushalten soll.“
    „Hm, wahrscheinlich werde ich Paulintje am meisten vermissen“.
    Doch ihre zuckenden Mundwinkel und das Flattern ihrer hellen, dichten Wimpern ließen erkennen, dass sie es keineswegs ernst meinte. Sie setzte ihre Haube ab und schüttelte den Kopf. Ein Zopf über ihrer Schläfe löste sich. Ich streckte meine Hand nach der Haarsträhne aus, die ihr in sanftem Schwung über die Schulter fiel und sich auf dem blauen Wollstoff ihres Kleides wellte.
    Cornelia machte einen Schritt auf mich zu und legte ihre Arme um meinen Hals. Ich atmete den feinen Duft von Chinaäpfeln, der aus ihren Kleidern stieg, tief ein. Vorsichtig zog ich sie an mich. Spürte die zarte Haut ihrer Wange an meiner Wange, ihren schlanken, anschmiegsamen Körper an meinem. Ihr Herz schlug an meiner Brust, in demselben, rasenden Tempo wie meins. Auf einmal wusste ich, dass ich diese Berührung schon lange herbeigesehnt hatte, eigentlich seit dem ersten Tag. Wie berauscht schloss ich die Augen und wünschte mir, dass unsere Umarmung niemals aufhören würde.
    „Es stimmt nicht, was ich gerade gesagt habe. Ich werde dich auch vermissen, Samuel, sehr sogar“, flüsterte sie dicht an meinem Ohr. Ganz fest schlang ich meine Arme um ihre Taille, rieb meine Wange an ihrem Haar, das sich so weich anfühlte wie Seide. Von der Küche her hörte ich schlurfende Schritte. Nur widerstrebend löste ich meine Arme. Cornelia legte einen Finger auf ihre Lippen und drückte ihn sanft gegen meinen Mund. Ihre Augen funkelten mich an.

    Der Meister war gerade dabei, Pinsel und Palette aus der Hand zu legen, als ich zu ihm ins Atelier kam.
    „Genug für heute, Samuel. Ich bin müde und will mich ein wenig ausruhen. Für das Gewand von Thomas Block brauche ich allerdings noch etwas frisch angerührtes Goldocker und eine größere Menge Schwarz.“
    Der Meister setzte sich in seinen Armlehnstuhl und entzündete seine Pfeife, deren würziger Duft sich nach und nach im Atelier ausbreitete. Unterdessen wusch ich die Pinsel aus und machte mich an das Reiben der Farben. Mit der Zunge fuhr ich über meine Lippen, auf denen ich noch immer die Berührung von Cornelias Finger spürte. Rebekkas schwerfällige Schritte auf der Treppe ließen uns aufhorchen.
    „Mijnheer, Besuch für Euch. Der Professor von dem Bild ist gekommen, er will Euch umgehend in einer wichtigen Angelegenheit sprechen. Er wartet schon ganz ungeduldig in der Diele. Ein unangenehmer Mensch, wenn Ihr meine Meinung wissen wollt. Da ist mir die gemalte Person auf der Leinwand bei weitem angenehmer.“
    „Bitte ihn zu mir, Rebekka, und sieh einmal nach, ob wir noch etwas Kräuterlikör im Haus haben, von dem wir dem Medicus ein Glas anbieten können.“
    Der Professor atmete schwer, als er oben bei uns angekommen war und wischte sich mit einem weißen Spitzentuch den Schweiß von der Stirn. Mit einer schwungvollen Geste warf er seinen Umhang über die linke Schulter und ging dem Meister mit ausgestreckter Hand entgegen.
    „Lieber, verehrter Meister Rembrandt, Ihr mögt es mir nachsehen, dass ich unangekündigt bei Euch erscheine. Ich komme gerade von einer Bürgerversammlung direkt in der Nachbarschaft. Es ist eine Woche her, dass ich mit überwältigender Mehrheit zum neuen Bürgermeister dieser Stadt gewählt worden bin. Und da dachte ich mir, es wäre doch eine gute Gelegenheit, einmal zu schauen, wie weit Ihr mit meinem Auftrag gediehen seid.“
    „Willkommen, werter Professor. Das Licht um diese Tageszeit ist zwar nicht mehr das günstigste. Einen Eindruck von dem Bildnis werdet Ihr aber dennoch gewinnen können.“
    Schon wollte der Professor direkt vor die Staffelei treten, als der Meister hielt ihn mit einer leisen Handbewegung zurückhielt.
    „Wartet einen Augenblick. Besser, Ihr tretet nicht zu nah an das Bild heran. Die Farbe ist noch frisch, und ihr Geruch könnte Euch unangenehm sein.“
    Äußerst geschickt hatte der Meister vermieden, dass der

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