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Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Titel: Rembrandts Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Guggenheim
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noch ganz voller Trauer und Verzweiflung, als kurze Zeit später wieder eine Beerdigung anstand. Magdalena starb am 21. Oktober, ihre Mutter Anna Huijbrecht folgte ihr innerhalb nur einer Woche. Für die kleine Titia sorgen seither der Juwelier Biljert und seine Frau. Von da an hatte ich niemanden mehr. Ich war fünfzehn Jahre alt, und ich war ganz allein.
    Aber es wäre nicht richtig zu klagen. Viel lieber will ich dir von anderen Dingen berichten, solchen, die für dich von größerem Interesse sind. Gleich nach Vaters Beerdigung erhielt der Notar Steemann einen eiligen Brief. Der Absender war Professor van Campen. Er bat den Notar, dass man ihm umgehend sein Anatomiebildnis aushändigen möge. Er würde es von einem anderen Maler vervollständigen lassen und das Honorar ihm, dem Notar, für die Erben Rembrandts übergeben.
    Als das Bild nirgendwo gefunden werden konnte, wurde der Professor sehr zornig. Er bestand darauf, persönlich zur Rozengracht zu kommen und die Räume, die der Notar versiegelt hatte, in Augenschein zu nehmen. Steemann berichtete, wie der Professor getobt hat und abwechselnd blass und rot geworden ist vor Wut. Mich hat man übrigens nicht befragt. Vermutlich konnte sich niemand vorstellen, dass ich etwas von dem Verschwinden des Bildes weiß.
    Vor drei Monaten hat der Professor wieder eine öffentliche Vorlesung gehalten. Nach der Leichenöffnung ist er an Wundbrand erkrankt und eine Woche später gestorben. Auch sein Schwager Albert Rip, der Polizeihauptmann, lebt nicht mehr. Man fand ihn eines Morgens im Hinterzimmer einer Schänke von höchst zweifelhaftem Ruf. Man hatte ihm die Kehle durchtrennt. Pieter Leyster bekam eine schwere Lungenkrankheit, von der er aber wieder genesen ist. Zu Ostern ist er nach Italien aufgebrochen, wo er für immer bleiben will. Zum Abschied hat er mir eins seiner Stillleben geschenkt.
    Die vergangenen Monate habe ich wie in einem Traum verbracht. Ich fühlte mich dem Schicksal ausgeliefert, konnte selbst nichts tun oder entscheiden. Die Cornelia, die ich noch vor einem dreiviertel Jahr war, gibt es nicht mehr.
    Christiaen Dusart und seine Frau meinten es gut mit mir. Von Anfang an war mir klar, dass ich nicht ewig bei ihnen bleiben konnte. Es ist für sie und die vier Kinder ohnehin zu wenig Platz in dem kleinen Haus. Zu Weihnachten haben sie mir einen jungen Maler vorgestellt, sein Name ist Cornelis van Suythof. Ich glaube, er ist ein anständiger Mann. Wir werden morgen heiraten. Wenn du diesen Brief in den Händen hältst, bin ich schon auf einem Schiff, auf dem Weg nach Batavia. Mit Gottes Hilfe wollen wir dort ein neues Leben anfangen.
    Erinnerst du dich noch an die Worte der Zigeunerin, die uns beim Silvesterlauf die Zukunft vorausgesagt hat? Alles ist so gekommen, wie sie es uns aus Hand gelesen hat. Der schwarz gekleidete Mann, das Messer, das Feuer, und sogar der winkende Mann auf dem großen Schiff, das der aufgehenden Sonne entgegenfährt. Wir müssen unser Schicksal annehmen, so wie es der Herr uns auferlegt. Ich werde immer an dich denken, Samuel, solange ich lebe.
    Cornelia van Rijn, Amsterdam, den 29. Mai, Anno 1670.“

    Eine schmutzige kleine Hand legte sich vorsichtig auf meinen Arm.
    „Was ist mit dir, Samuel, warum bist du so traurig? Ist jemand gestorben?“
    Ich presste die Lippen aufeinander und nickte. Ja, in gewisser Weise hatte mein Bruder Recht. Es war etwas zu Ende gegangen. Ich hatte nicht gewusst, dass es so wehtun konnte, jemanden endgültig zu verlieren. Johannes kletterte hoch zu mir auf die Bank und streichelte meinen Kopf.
    „Nicht weinen, Samuel, alles wird wieder gut.

EPILOG
    An jenem Tag beschloss ich, mich wieder dem Malen zuzuwenden. Es aufzugeben war mir ohnehin unmöglich. Doch ich verspürte nicht mehr den Wunsch, Menschen zu porträtieren. Ich wollte mich mit meiner Malerei nicht zum Diener ihrer Eitelkeit und Überheblichkeit machen. Stattdessen würde ich nur noch die Natur darstellen, die makellose und vollkommene, bescheidene und genügsame Schöpfung Gottes.
    Dank Pieter Leysters Geld konnte ich selbst für meine Ausbildung aufkommen. Also ließen meine Eltern mich gewähren. Mittlerweile hatten sie erkannt, dass ich niemals mit ganzem Herzen Schneider sein könnte.
    Für einen kurzen Augenblick trug ich mich mit dem Gedanken, meine Lehre in Amsterdam fortzusetzen. Der Professor und der Polizeihauptmann waren tot, von ihnen brauchte ich nichts mehr zu befürchten. Auch Pieter Leyster, der mich einige Male in

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