Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
minderjährigen Sohn.
Nachdem der Freitagabend abgehandelt war, fragte Johanna: »Inwieweit hatten Sie in letzter Zeit mit Ihrer Familie zu tun?«
»Ziemlich wenig«, antwortete Rafiq.
Johanna wartete auf die Fortsetzung, aber er schwieg. Das Thema gefiel dem Mann offensichtlich nicht.
»Fahren Sie oft nach Stockholm?«
»Zuletzt war ich vor einem Jahr dort.«
»Haben Sie Geschwister außerhalb von Stockholm?«
Johanna merkte, wie Rafiqs dunkler Blick wachsamer wurde.
»Meine Schwester wohnt in Göteborg. Mein älterer Bruder in Frankreich und mein jüngerer Bruder in Deutschland.«
»Wo in Deutschland?«
»In Hamburg.«
»Waren Ihre Geschwister schon mal hier bei Ihnen zu Besuch?«
Johanna registrierte, dass Rafiq gern gewusst hätte, warum sie plötzlich Fragen nach seiner Familie stellte.
»Nein. Von meiner Familie war noch niemand hier.«
»Und von Ihren Freunden?«
Rafiq lächelte. »Sie finden es hier kalt und finster. Sie fragen sich, warum ich hierher gezogen bin. Bis sie Tuija sehen.«
Johanna zwang sich zu einem Lächeln und nickte. Sie überlegte, was Rafiq außer den blonden Haaren noch an seiner Frau fand. Johanna hielt sie nicht für besonders gut aussehend, außerdem wirkte sie ziemlich kühl. Hatte nicht irgendein Amerikaner mal behauptet, die Araber wüssten stämmige Frauen zu schätzen?
Rafiqs Handy klingelte, aber er war so höflich, nicht darauf zu reagieren. Johanna bedankte sich und bat ihn, Tuija zu holen, die inzwischen wieder in der Küche verschwunden war. Auf dem Weg in die Küche meldete sich Rafiq am Handy, das die ganze Zeit beharrlich geklingelt hatte.
Die SiPo sollte mit Rafiq weitermachen, falls sie es für nötig hielt, dachte Johanna. Der Mann gehörte in deren Revier.
Der kühle Eindruck, den die Ehefrau von Anfang an gemacht hatte, bestätigte sich im Gespräch. Obwohl Tuija im selben Alter war wie die Mordopfer, behauptete sie, die Frauen nicht richtig gekannt zu haben.
»Ich habe mich nie mit den Frömmlern abgegeben. Im Gegenteil, ich habe einen möglichst weiten Bogen um sie gemacht. Ich kann diesen religiösen Fanatismus hier nicht ausstehen.«
In ihrer Stimme lag fast so etwas wie Ekel.
»Wie ist Ihre Haltung zum Glauben im Allgemeinen?«, wollte Johanna wissen.
»Wenn Sie damit meinen, dass Rafiq Moslem ist, dann kann ich nur sagen, dass mich nichts weniger interessiert. Das ist meine ehrliche Meinung.«
Tuija sprach mit Nachdruck, und das wunderte Johanna nicht, denn in dieser Gegend gab es garantiert Vorurteile gegenüber Rafiq.
»Ihr Mann praktiziert seinen Glauben nicht aktiv?«
»Nein. Und weiter? Was interessieren Sie sich überhaupt für Rafiq und seine Religion? Versuchen Sie religiöse Motive für die Morde zu finden?« Tuija lachte bitter auf. »Moslem nimmt Glaubenskrieg in Pudasjärvi auf, tötet drei Christen.«
Johanna reagierte nicht auf den Ausbruch, sondern ließ die Frau weiterreden.
»Versuchen Sie im Dorf neue Gerüchte in die Welt zu setzen? Hast du schon gehört? Die Polizei war in der Oase. Das hätte man sich ja denken können, dass dieser Kanake … Sie haben schon mehr als einmal versucht, uns auseinander zu bringen. Vergebens. Das geht manchen in diesem Dorf gewaltig auf den Keks.«
»Gerüchte interessieren mich nicht, glauben Sie mir. Mich interessiert nur, möglichst viele Informationen zu bekommen, die mir helfen, den Täter zu finden.«
Tuijas Lippen verzogen sich zu einem schiefen, spöttischen Grinsen. »Sie können es sich leisten, sich nichts aus Gerüchten zu machen. Sie müssen ja nicht hier leben.«
Musst du es denn, hätte Johanna gern gefragt. Könntest du nicht mit Rafiq einfach anderswo hingehen? Oder hast du Angst, dass die Verlockungen der Welt dir deinen Mann wegnehmen? Hier hast du alles besser unter Kontrolle.
»Wer von den Frauen hat für Freitagabend die Kaminstube reserviert?«
»Saara Vuorio.«
»Wann hat sie reserviert?«
»Das dürfte am Mittwoch gewesen sein.«
»Kamen die Frauen manchmal zum Essen hier her?«
Tuija lachte auf. »Warum sollten sie? Essen kriegt man doch auch im Supermarkt. So denken die Leute hier. Im Restaurant kommt man womöglich noch auf sündige Abwege.«
»Sie sind vorher nie hier gewesen?«
»Ein oder zwei Mal. Die Vuorio hat ihre alten Klassenkameradinnen versammelt, um anzugeben, dass sie ihren Doktor gemacht hat und wieder hier und da Vorträge hält.«
»Waren Sie nicht in Saaras, Erjas und Anne-Kristiinas Klasse?«
»Leider. Und mir fehlt ihre
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