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Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Titel: Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Rückzug, der Logistik und der Versorgung, wie es früher der Fall gewesen war. Und es war bekannt, dass Terroristen und Anwerber sich auch in Skandinavien aufhielten, versteckten, bewegten.
    Timo rief bei der SiPo an und fragte, ob der in Pudasjärvi lebende Libanese registriert war.
    Nein.
    Das machte Rafiq eher noch interessanter. War es möglich, dass der libanesische Restaurantbesitzer über seinen Bruder in Verbindung mit terroristischen Vereinigungen stand?
    Natürlich war das möglich. Die Mitglieder terroristischer Zellen konnten unter Umständen jahrelang als »Schläfer« an einem sicheren Ort ruhen, ehe sie sich von dort aus in Bewegung setzten, wenn neue, den Nachrichtendiensten unbekannte Gesichter gebraucht wurden.
    Unter dem Vordach des Imbisshäuschens aus runden Holzbalken, das an einer Ecke des Marktplatzes stand, biss Johanna in eine Fleischpirogge. So etwas hatte sie nicht mehr gegessen, seit sie im Streifendienst, den sie vor Jahren in Helsinki hatte verrichten müssen, mit den Imbissen der Hauptstadt Bekanntschaft geschlossen hatte. Die im heißen Fett schwimmend gebackene Fleischpirogge war für Frauen über dreißig eine verbotene Frucht, dachte Johanna und garnierte ihren kalorienreichen Leckerbissen genüsslich mit noch mehr Ketchup.
    Wenige Meter weiter verschlang ein junger Mopedfahrer eine Portion Bratkartoffeln mit Wurst. Beim Essen blickte Johanna über den menschenleeren Platz, auf den Schneeregen, der vom dunkelgrauen Himmel fiel. Sie fühlte sich apathisch. Allein der Gedanke, die Ratte könnte hier irgendwo in diesem Moment ihr Leben weiterführen, gab ihr etwas Energie.
    Aus irgendeinem Grund war es schwer, sich so einen bis ins Mark bösen Menschen ausgerechnet hier vorzustellen, inmitten unberührter Natur und »reiner« Menschen. Ihr fiel ein, wie Kekkonen das Laestadianertum beschrieben hatte, wo auch Laien sich gegenseitig die Sünden vergeben konnten. Das klang an sich nicht schlecht, denn damit war bestimmt eine gewisse therapeutische Wirkung verbunden. Vielleicht lag hier ein Grund für die gewisse Heiterkeit der Laestadianer.
    Allerdings schien die erdnahe Einstellung zu Sünde und Buße weit weg von den traditionellen Lehren der Kirche zu sein. Johanna musste an das Plakat mit dem mittelalterlichen Gemälde von Hieronymus Bosch denken, das an ihrer Wand hing. Das Bild mit dem Titel ›Garten der Lüste‹ stellte Paradies und Hölle dar. Im Mittelalter musste man sich den Weg in den Himmel durch ein tugendhaftes Leben erwerben. Der größte Teil der Menschen war dazu nicht imstande, sondern landete nach dem Jüngsten Gericht in der Hölle.
    Boschs Gemälde war meilenweit vom zeitgenössischen lutherischen Protestantismus entfernt, in dem immer mehr die Auffassung herrschte, man käme automatisch in den Himmel. Johanna hielt diesen Gedanken zumindest aus Polizeiperspektive für gefährlich. Wenn beim Jüngsten Gericht alle gleich dastanden, wurde der Begriff der Verantwortung automatisch brüchig … Aber das passte natürlich zur lutherischen Sozialdemokratie, die in Skandinavien herrschte. Was für einen Ausschlag gaben die Taten des Menschen noch, wenn alle aus reiner Gnade gerettet wurden? Dann käme die Ratte mit ihren Opfern in ein und denselben Himmel. Und wer würde dann überhaupt noch in der Hölle landen?
    Alles in allem gab es für die gewaltige Popularität und Ausbreitung des Christentums eine aus psychologischer Sicht einfache Erklärung: Es entsprach der tiefsten Angst und der größten Hoffnung des Menschen – der Todesangst und dem Traum vom Leben nach dem Tod. Johanna merkte, wie sie zynisch wurde, und das gefiel ihr überhaupt nicht.
    Durch ein metallisches Scheppern kam sie wieder zu sich. Der Junge hatte seinen Pappteller in den Mülleimer geworfen und schwang sich auf sein Moped. Johannas Telefon klingelte. Mit der halb gegessenen Fleischpirogge in der Hand angelte sie nach dem Handy in ihrer Tasche.
    Es war Nortamo aus Brüssel, und er kam sofort zur Sache.
    »Du hast dich nach dem libanesischen Restaurantbesitzer erkundigt. Wir haben nichts über ihn, aber dafür umso mehr über seinen Bruder.«
    Interessiert hörte sich Johanna an, was Nortamo über die terroristischen Kontakte von Ibrahim Karam zu sagen hatte. Die Informationen waren genauer als diejenigen, die sie aus Schweden bekommen hatte.
    »Bist du sicher, dass Rafiq Karam nichts mit dem Israeli zu tun hat?«, fragte Nortamo.
    »Ich glaube nicht, dass es da einen Zusammenhang gibt. Aber

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