Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
habe meine Meinung bereits gesagt«, sagte Baron, der am Steuer saß und das Tun der Jungen genau beobachtete. »Ich finde, man hätte dem Finnen klipp und klar sagen sollen: Bleib zu Hause.«
»Den hätte man schon fesseln müssen«, entgegnete Churchill und trommelte mit seinen dicken Fingern auf der Türverkleidung. Der vom Tigris her wehende Wind wirbelte Straßenstaub auf. Der eine Junge rieb hingebungsvoll mit seinem feuchten, schmutzigen Lappen über die Windschutzscheibe.
Die Ampel sprang um. Der Junge streckte seine schwarze Hand aus. Churchill reckte sich, um ihm einen Hundert-Dinar-Schein zu geben, dessen Gegenwert wenige Cent betrug.
Zwischen qualmenden, scheppernden Autos fuhren sie weiter. Im Fußraum des Range Rover lagen Sandsäcke, obwohl die auch nicht sonderlich viel nützten, wenn der Wagen über eine Mine fuhr.
»Außerdem«, fuhr Churchill fort, »bringt der Finne Geld mit. Und das werden wir bald brauchen, falls Uday Recht hat.«
»Es gefällt mir überhaupt nicht, dass Israel das Lösegeld offeriert. Da ist irgendein Hund begraben.«
»Der Meinung bin ich auch. Aber wir sollten uns alle Karten anschauen.«
Ein verbeulter Cadillac kam vor ihnen ins Stottern und blieb stehen, sprang aber bald wieder an. Es waren viele Leute auf der Straße, und der Handel in der Stadt florierte. Eine verschleierte Frau nahm den Stapel weißer Haushaltsgeräte vor einem Geschäft in Augenschein. Vor dem Teehaus nebenan standen Männer in kleinen Gruppen zusammen.
»Du glaubst also tatsächlich, dass es Uday gelungen ist, Kontakt aufzunehmen?«, fragte Baron.
»Er hätte mich wohl kaum angelogen. Was hätte er davon? Uday tut nur, was ihm nützt.«
Der Iraker namens Uday hatte auch bei der Entführung des Buchhalters als Kontaktmann fungiert, und darum hatte Churchill nun erstmals vage Hoffnung.
35
In der Zentrale der TERA ging Timo über den Flur zu seinem Büro. Er hatte sich gerade mit dem holländischen Vertreter Wim Putmans ausgetauscht. Die niederländische Regierung verfolgte die gleiche Linie wie Finnland: Auf die Lösegeldforderungen der Entführer wird offiziell nicht eingegangen, aber zugleich wird alles unternommen, was man für die Freilassung der Geiseln tun kann. Dazu gehörte auch die Klärung der Frage, ob der Fall mit Zustimmung der Angehörigen durch die verdeckte Zahlung eines Lösegelds gelöst werden konnte.
Bei seinen Nachforschungen in Richtung Mossad hatte Timo auch den TERA-Verbindungsmann der Vereinigten Staaten angesprochen, aber die USA waren gegenüber Europäern sehr geizig mit Informationen über den Mossad. Viele Europäer sahen die Rolle Israels im Nahost-Konflikt deutlich kritischer als die Amerikaner.
Zusammen mit Putmans hatte Timo sich das Video der Geiselnehmer angeschaut. Der Piruvaara-Hinweis hatte ihn veranlasst, Karri Vuorios Nummer zu wählen, aber dieser hatte sich nicht gemeldet.
In seinem Büro setzte sich Timo an den Schreibtisch und loggte sich über zwei Passwörter in das TERA-Informationssystem ein. Er tippte den Namen Rafiq Karam in die interne Suchfunktion. Es gab keine eigene Datei zu dem Namen, aber er war in der Datei über Ibrahim Karam, den Bruder, enthalten.
Über Ibrahim gab es einen langen und genauen Bericht. Für ein Gerichtsverfahren wegen Beteiligung an Terrorakten lagen allerdings noch nicht genug Beweise vor.
Gefährlicher wirkte ein Mann namens Hamid al-Huss, mit dem Ibrahim angeblich in Kontakt stand. Timo öffnete die al-Huss-Datei.
Hamid al-Huss, geb. vermutl. 1973, lebt in Beirut/Damaskus/Hamburg/Lyon? War als junger Mann Aktivist bei Asbat al-Ansari und später bei Abu al-Mujahidin …
Timo wurde aufmerksam. Asbat al-Ansari war eine kleine libanesische Gruppierung, die einen üblen Ruf und Verbindungen zu extremen Palästinensern hatte, vor allem zur Hamas, die für ihre Selbstmordattentate berüchtigt war.
Festgenommen am 12. 3. 2002 in Hamburg unter dem Verdacht, mit al-Qaida vernetzt zu sein. Stichhaltige Beweise gegen Hamid al-Huss liegen nicht vor, aber er wurde mehrfach vom BfV observiert.
Timo richtete sich auf. Die islamistischen Terroristen verfügten über ein effektives und stabiles Kontaktnetz in Deutschland. Etwa dreihundert aktive Terroristen waren, versprengt in kleine Grüppchen, im Land aktiv. Spätestens seit den Londoner Anschlägen war klar, dass ganz Europa in wesentlich größerem Ausmaß von Terroranschlägen bedroht war, als man bis dahin geglaubt hatte. Der Kontinent diente nicht mehr bloß dem
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