Ren Dhark - Sternendschungel Galaxis 08
Raupe.
»Erstaunlich«, sagte Amy, während Öü die gegliederten Lamellen wieder im Kofferraum verschwinden ließ.
»Sie haben sicher weitaus bessere Fortbewegungseinheiten, nehme ich an«, meinte die Wissenschaftlerin.
»Unsere Fahrzeugtechnik hat einen etwas anderen Weg genommen, ja«, bestätigte Amy Stewart. »Aber das lag wohl in der Natur der Dinge.«
»Sie meinen, wir sind den falschen Weg gegangen?«
»Nicht den falschen«, widersprach Amy. »Nein, einfach einen anderen. Zivilisationen, so haben wir herausgefunden, entwickeln sich stets nach den Notwendigkeiten, die das Überleben einer Kultur im Einklang mit den Gegebenheiten ihrer Umwelt vorgeben. Mehr nicht.«
»Mit kleinen und größeren Variationen dieses von meiner Partnerin angesprochenen Szenarios«, relativierte Ren Amys Erklärung und nahm so viel wie möglich an Eindrücken in sich auf, die ihm die Stadt während der Fahrt über ihre Straßen vermittelte.
»Ich würde gern Ihre Welt, Ihr Universum sehen«, sagte Oü nach einer Weile des Schweigens.
»Möglicherweise ergibt sich eine Gelegenheit früher, als Sie glauben«, deutete Amy Stewart an.
Ren, der gerade den Kopf gedreht hatte, um einer besonders attraktiven Bull auf dem Trottoir nachzusehen, warf ihr einen Blick zu. Versprich nichts, was du nicht halten kannst! hieß das.
Amy zog eine Grimasse, schwieg aber zu dem unausgesprochenen Vorwurf.
Der Wagen wurde langsamer, und Dhark fragte sich, welches der Gebäude in der Straße wohl das richtige war.
Seine Frage wurde beantwortete, als der Wagen vor einem kubischen Haus hielt, das sich, über und über vergoldet, etwas zurückversetzt in einem parkähnlichen Grundstück erhob, in dem Statuen von ausgesuchter Häßlichkeit – nach menschlichen Begriffen, selbstverständlich! – ohne erkennbare Ordnung herumstanden.
»Hmm«, murmelte Amy, während sie ausstiegen und umringt von der bewaffneten Eskorte auf das Haus zuschritten. »Standesgemäß. Eines Ministers für Kultur würdig.«
»Neid steht dir überhaupt nicht«, erwiderte Dhark.
»Verwechsle Neid nicht mit einer schlichten Beobachtung«, stellte sie klar.
Das Haus war still, als sie eindrangen, und leer, da sein Besitzer im Gefängnis saß.
Die in Ganzkörperpanzern steckenden Wachmänner sicherten das Gebäude, das sich auf mehrere Ebenen erstreckte, von außen. Bis auf einen, der mit ins Haus kam.
Bedienstete schien Minister Üu nicht gehabt zu haben, jedenfalls gab es keine Spuren mehr, die darauf schließen ließen. Dhark hatte die Vermutung, daß man alle, die in diesem Haus je gewohnt haben mochten, auch in den Kerker gesteckt hatte. Prophylaktisch, als reine Vorsichtsmaßnahme.
Mit raschen Blicken sondierte er die Räume, durch die sie kamen. Die Einrichtung entsprach dem Verständnis der Bulls von Bequemlichkeit: viel Leder, harte Polster, wuchtige Bauweise.
»Wo befindet sich nun das Corpus delicti?« fragte er Öü.
»Corpus was …?«
»Entschuldigen Sie. Ein umgangssprachlicher Ausdruck aus der terranischen Juristensprache. Es bedeutet ›Werkzeug eines Verbrechens‹ oder auch ›Beweisstück‹.«
»Es ist auf Üus persönlicher Toilette plaziert«, übersetzte der Translator Öüs Antwort.
»Bitte?« Dhark glaube erst an eine Fehlinterpretation des Übersetzers, aber der wiederholte stur die neuerliche Antwort der Wissenschaftlerin.
»Sie müssen wissen«, erklärte Öü, »daß die Toilette ein höchst intimer Ort für unser Volk ist, den nie ein anderer betritt.«
»Was ist mit Freunden, Besuchern?«
»Für die existieren Gästetoiletten.«
»Eigentlich nicht anders als bei uns«, ließ Amy verlauten.
»Na gut, verlassen wir dieses etwas anrüchige Thema«, schlug Dhark vor. »Wo befindet sich nun das Refugium des ehemaligen Kultusministers?«
»Ich führe Sie.«
Der Weg war nicht lang.
Öü blieb vor einer Wand stehen, die von zwei Skulpturen flankiert wurde, und legte die Hand auf etwas, was ein Sensor sein mochte.
Ein Teil der Wand öffnete sich – und Dhark schaute in ein völlig leeres Gelaß, in dem höchstens zwei Personen von der Statur der Bulls Platz fanden.
Ein kaum wahrnehmbares blaues Licht erhellte es. Dhark war versucht, an ein aseptisches Kraftfeld zu glauben, wie es für Hygienezwecke Verwendung fand.
Aber vielleicht war es auch nur eine optische Täuschung.
»Ich verstehe nicht …«, begann er und blickte die Wissenschaftlerin erstaunt an. »Es gibt nichts als nackte Wände. Ist dies auch wirklich der richtige
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