RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
gl auben, da ss sie uns zu einer Vor führung für die SS zwingen. Wir studieren unsere Übungen an zwei weiteren Abenden ein.
Am Samstagabend, als w ir unsere Abendration entgegen nehmen, teilt die B lockälteste uns mit: „Ich habe Gymnastik anzüge, die ihr bei der Vorführung tragen sollt. Kommt in mein Zimmer, wenn ihr gegessen habt, und ich gebe euch die Kleider.“ In ihrem Zimmer erhält jede ein Hemd und ein Paar Sh orts, die wir anziehen sollen. „ Eure Zusatzration b ekommt ihr nach der Vorführung.“ Sie erinnert uns an den Grund, der uns diese Cha rade machen lä ss t. „ Zieht euch jetzt um und kommt in zwei Minu ten zu mir an die Tür!“
Ein paa r ausgesuchte Gefangene dürfen z usehen. Danka ist unter ihnen. Die SS nimmt in dem leeren Gebäude ganz hinten Platz, um so weit wie möglich von der Bühne entfernt zu sein. Es war schon schlimm genug, diese ganzen Kunststücke ohne Zuschauer zu machen, aber jetzt, wo die SS zusieht, ist die Demütigung noch zehnmal schlimmer.
Die Sperrholzbühne, auf der wir auftreten, wird von einer Glühbirne erleuchtet. Die SS sitzt am anderen Ende auf ihren Stühlen und ist ganz begierig, ihre Affen turnen zu sehen. Sie schwatzen fröhlich miteinander, genie ss en den Samstagabend, als wäre diese Unterhaltung hier der Wanderzirkus, der in die Stadt kommt.
Wir treten in den Lichtkeg el und verneigen uns vor den Of fizieren. Halbherzig applaudieren sie. Die Blockälteste schlägt eine Trommel, die sie irgendwo aufgetrieben hat, um uns einen Rhythmus zu geben. Ich schlage drei Räder hintereinander. Applaus. Ein Mädchen m acht einen Salto. Applaus. Über schlag. Applaus. Radschlagen im Kreis. Kein Lächeln steht auf meinem Gesicht, als ich mich aufrecht hinstelle. Applaus. Egal, was ich auch tue, die Mundwinkel werden sich nicht nach oben bewegen. Ich kann zehn Stunden am Tag arbeiten, ich kann verhungern und Menschen sterben sehen, aber ich kann nicht lächeln - das ist unmöglich.
Das Holz unter unseren nackten Fü ss en ist hart und gibt nicht nach. Ich beende eine Wende. Applaus. Ein Mädchen macht einen Spagat. Applaus. Die Basis der Pyramide stellt sich auf. Die zweite Reihe stellt sich auf die Sc hultern der unteren, dann die d ritte. Ich springe obendrauf und bete, da ss sie unter mir nicht vor Müdigkeit zusammenbrechen. Dann richte ich mich auf, hebe meine Hände über meinen Kopf und öffne leicht meinen Mund. Ich mache kein glückliches Gesicht, es ist ein fragendes Gesicht, ein Mund, der wie ein Fragezeichen durchhängt. Warum tue ich das? Is t ein Stück Brot das wirk lich wert?
Der Applaus ist dürftig. Ich springe zu Boden. Händeha l tend stellen wir uns auf, verbeugen uns vor unseren Gebietern, machen kehrt und marschieren, Brust heraus und Kinn hoch, zurück in unseren Block.
Im Zimmer der Blockältesten ziehen wir unsere Gym na stik k leidung aus und nehmen unser zusätzliches Stück Brot entg egen, wie Hunde ihren Knochen. „ Gute Arbeit. “ Sie lobt uns. „ Beim nächsten Mal“, fährt sie fort, „ sollten wir doch ein paar schwierigere Saltos einbauen. “ Gesenkten Blicks suche ich nach etwas Tröstlichem und halbiere mein Stück Brot, um es mit meiner Schwester zu teilen.
Es wird kein nächstes Mal geben - sehen sie denn nicht, wie krank und müde wir sind? Schon diese paar Tage Trai ning ha ben unseren Körpern Opfer abverlangt. Ich fürchte, ich habe noch mehr abgenommen; ich wei ss , da ss das bei ein paar ande ren Mädchen der Fall ist. Und alles für ein Stück Brot. Für die Arbeit, die wir geleistet haben, hätten wir eine komplette Mahlzeit bekommen müssen. Nie wieder will ich so etwas tun. Als wir auf unser Regalbrett krie chen, flüstert Danka: „Du warst gut, Rena.“ Ihre Stimme ist so sü ss , so liebenswürdig. Mein Kopf fällt herab. Meine Au genlider fallen herab. Ich ver schwinde.
Irgendwie bekommen wir heraus, wie viele Sonntage wir schon im Lager sind. Dadurch erfahren wir, da ss Jom Kippur
ist, und wir fasten von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang. Im Herzen bete ich: O Herr, mein Gott, bitte hilf meinen Eltern und beschütze sie, bis wir nach Hause zurückkehren können. Sag ihnen, dass wir am Leben sind uns sie lieben. Sag Mama, ich weiss, dass sie uns durch deine Augen bewacht. Stärke unseren Glauben und unsere Körper. Lass uns nicht vor Hunger schwach werden. In deinem Namen, Herr, der du bist mein Gott.
In meinem Gebet ist Kraft; es stärkt meine Arme und meinen Rücken, als wir den ganzen
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