RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
anzieht. Von allen Schrecken des Lagers, jagen die Hunde mir die grö ss te Furcht ein. Ich bete, da ss ich, wenn ich sterben mu ss , nicht schreiend sterbe.
In Birkenau ist der Tagesablauf ein wenig anders. Es ist leichter, die Latrine am Morgen aufzusuchen, denn am Abend, wenn die Tür geschlossen ist, darf keiner mehr hinaus. Deshalb versuche ich, vor den Raumältesten aufzustehen, und schleiche mich dann hinaus, bevor die Schlange zu lang wird. Wenn das nicht funktioniert, benutze ich unter dem Mantel der Dunkelheit den Kübel und schlüpfe dann für ein paar kostbare Momente der Ruhe zurück zu Danka auf das Schlafbrett.
So schlimm Auschwitz gewesen ist, ich vermisse es. Ich vermisse es, mir mein Gesicht und meine Hände waschen zu können, ich vermisse die Strohmatratzen und die kleinen Decken, die Danka und ich hatten. Hier müssen wir schon um eine Decke kämpfen, und die deckt uns kaum zu. Die Schlafkojen in Auschwitz waren im Vergleich geräumig; jetzt teilen sich sechs Frauen ein Regalbrett. Wir liegen so dicht aneinander, da ss wir uns fast berühren müssen.
Und als wäre das alles noch nicht schlimm genug, kommt jeden Tag ein weiterer Transport, und mehr und mehr junge Frauen füllen das Lager. Die Mäd chen, die aus Holland kom men, haben noch Lack auf ihren Fingernägeln. [10]
In diesem neuen Lager gibt es so viele von uns wie nie zuvor in Auschwitz; der Anwesenheitsappell dauert doppelt so lang wie früher. Am Ende des Tages, wenn wir endlich in unsere Blocks entlassen werden, rennen wir so schnell es unsere mü den Fü ss e erlauben, um uns ei ne Decke und einen guten Schlaf platz zu sichern. Ich habe beschlossen, immer zu versuchen in der mittleren Regalreihe zu schlafen. Die oberste Reihe ist zu hoch, um nach einem harten Arbeitstag hinaufzuklettern, und am Boden ist es zu kalt.
Wir nehmen unser Brot und betreten den feuchten Block. Zusammen kriechen wir auf das Regalbrett und knabbern die Hälfte unseres Brotes, ehe wir in die verzweifelte Traumlosigkei t stürzen, wobei wir das andere Stü ck Brot bis zum Früh stück in unseren Händen zu sammendrücken. In unseren Ta schen ist es nicht mehr sicher. Es gibt welche, die, während wir schlafen, an unseren Händen schnüffeln und versuchen, unser Essen zu stehlen. Es gibt welche, die uns unsere Decke weg rei ss en, während wir schlafen, wenn wir sie nicht festhalten. An manchen Abenden kommen wir von der Arbeit zurück, und jemand hat schon unsere Decke genommen; in manchen Nächten wachen wir zitternd auf, weil jemand sie uns aus den Händen gerissen hat. Doch ich kann nicht aufstehen und das G leiche tun, es ist zu herzlos, jemandem der schläft die Decke wegzunehmen, und so kuscheln wir uns anei nander, um uns
zu wärmen, und warten auf den nächsten Abend, wo ich eine Decke von einem Schlafplatz wegnehme, auf den noch keiner Anspruch angemeldet hat. Dieses Recht habe ich; unsere hat jemand gestohlen.
Schlangestehen fürs Brot. Die Blockä lteste ruft mei nen Na men. „ 1716! Du siehst kräftig aus. Am Samstagabend werden wir eine Gymnastikvorführung abhak en. Kannst du ein Rad schlagen?“ Ich nicke zag haft. „Gut! Möchtest du dir eine Ex traration Brot verdie nen?“ Ich nicke wie der, aus Angst, nein zu sagen. „ Dann w erden du und ein paar andere mit mitkom men und die Gymnas tik übungen einstudieren, die ihr am Samsta gabend der SS vorführen werdet.“ Ich gebe mein Stück Brot an Danka ab und folge der Blo ckältesten und etwa zehn anderen Mädchen nach drau ss en.
„ Wir fangen mit ein wenig Bodenakrobatik an“ , w eist die Blockälteste uns ein. „Wer hier kann einen Salto?“ Zwei Mädchen heben die Hand. „ Überschlag? Hand standüberschlag?“ Ich hebe meine Hand mit ein paar anderen. Wir stel len uns nach unseren Fähigkeiten auf und arbeiten uns durch die einzelnen Schritte. „ Läc hle, wenn du diese Drehung beendet hast!“, schreit sie. „ Behalte diese Stellung, nachdem du dein letztes Rad geschlagen hast! Drü ckt eure Brust raus! Kinn hoch!“ Es ist mehr als seltsam, in einem verlassenen Block auf einer kleinen Bühne über den Fu ss boden zu turnen. Und noch merkwürdiger ist es, dabei so zu tun, als hätten wir Spa ss an solchen Possen.
Wir arbeiten etwa eine Stunde lang, ehe wir entlas sen werden. „ Gut, schlaft ein wenig. Morgen wer den wir eine Pyramide versuchen.“ Wir trotten zurück in den Block, haben Schmerzen und sind müde von dieser kör perlichen Anstren gung. Ich kann es nicht
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