RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
sich eine Möglichkeit einfallen zu lassen, ihr zu schreiben, ohne dass ihre Eltern es mitbekamen.
Ein paar Wochen danach traf Andrzejs Schwester Hania Rena am Marktplatz, und als keiner aufpasste, steckte sie ihr einen Brief aus Krakau zu. Rena brauchte ein paar Tage, ehe sie den Mut fand, ihm zurückzuschreiben, aber schliesslich antwortete sie ihm doch, und von da an brachten entweder Hania oder Andrzejs Mutter ihre Briefe zur Post, sodass keiner im Dorf erfuhr, dass sie sich schrieben.
Rena machte zwei Sommer eine Schneiderlehre in Krynica, wo sie sich mit Jungs verabredete und ins Kino ging. Mit siebzehn kam sie sich sehr erwachsen vor und begann über ihre Zukunft nachzudenken, als Andrzej ihr schrieb:
Liebe Rena,
gerade habe ich meine Offiziersstreifen bekommen und lebe nun nicht mehr in der Kaserne. Ich habe jetzt Anspruch auf eine Wohnung in der Stadt. Ich habe genug Geld für den Zug nach Krakau beigelegt. Kommst du, um mich zu heiraten? Du kannst tun, was du willst mit der jüdischen Religion. Du kannst die Kinder im jüdischen Glauben erziehen. Ich werde dir einen silbernen Kandelaber kaufen, damit du am Freitagabend in unserem Heim die Kerzen anzünden kannst, genau wie deine Mutter. Falls dies für deine Eltern nicht annehmbar ist, werde ich mich beschneiden lassen und den jüdischen Glauben annehmen. Ich habe dich geliebt, seit ich dich zum ersten Mal sah und wir noch Kinder waren. Wenn auch du mich liebst, warum sollten wir nicht glücklich sein? Wenn du kämst, um meine Frau zu werden, wäre ich der glückliste Mann in ganz Polen.
Rena sehnte sich danach zu heiraten und eine Familie zu gründen. Auf gewisse Weise war Andrzejs Vorschlag die Erfüllung eines Traumes, aber sie wusste, dass eine Ehe mit Andrzej unmöglich war. Sie schrieb ihm zurück:
Lieber Andrzej,
meine Eltern möchten nicht, dass du zum Judentum übertrittst, selbst das wäre nicht genug. Du musst von Geburt an J ude sein. Ich dachte, du wüsstest über die strengen Regeln unseres Glaubens und unseres Volkes Bescheid. Es tut mir leid, wenn ich dir in irgendeiner Weise etwas vorgemacht habe. Wenn ich einen Nichtjuden heiratete, würde das meine Eltern zugrunde richten. Sie würden um mich trauern, als wäre ich tot, und mich behandeln, als wäre ich nicht mehr ihre Tochter. Es ist unmöglich, dass du und ich zusammenkommen. Trotz meiner Gefühle für dich könnte ich es nicht ertragen, meine Familie niemals wiederzusehen. Dein Geld schicke ich dir zurück. Es tut mir leid, aber ich kann dich nicht heiraten,
Alles Liebe, Rena
„Ehrlich gesagt, habe ich mit meinen Eltern nicht einmal über Andrzejs Brief geredet.“, erzählt Rena mir.
„Warum denn nicht?“, will ich wissen.
„Es hätte sie niedergeschmettert . Ich musste einen jüdischen Mann heiraten, bevorzugt einen Orthodoxen, und ich hätte nie etwas getan, was sie aufgebracht hätte.“
Ich frage mich - falls Rena Andrzej geheiratet hätte, wäre ihr Auschwitz dann erspart geblieben? Ich ertappe mich immer wieder dabei, ihre Geschichte umschreiben zu wollen.
„Sind sie müde?“, erkundigt sie sich. „Sie sehen müde aus.“
„Ein wenig. Und Sie?“
„Ach, ich könnte ewig weitermachen.“
Am nächsten Morgen, als die Sonne durch ihre rosa Gardinen scheint und vor mir der Kaffee dampft, gesteht Rena mir: „Ich habe letzte Nacht überhaupt nicht geschlafen.“
Nach einiger Zeit hat unsere Beziehung sich verändert. Wir sind einander nähergekommen und rufen uns häufig an, nur um zu plaudern, weil wir einander vermissen.
Es ist, als hätten wir von Anfang an gewusst, dass wir Freunde sind. Rena versucht manchmal noch immer, mir etwas vorzuenthalten, doch ich bestehe darauf, dass sie Auschwitz nicht mehr allein ertragen muss. Natürlich hatte sie ihre Familie und Freunde, die sie trugen, aber ich glaube, sie versucht uns vor ihrer Wahrheit abzuschirmen - als fürchte sie, dass diese zu schwer, zu schmerzlich ist. Es gibt Zeiten, da weiss ich, dass da noch mehr ist, was sie mir nicht erzählt. Dann wiederum gibt es Zeiten, wo ihre Worte unter dem Gewicht ihrer Tränen zerbrechen, und ich weiss, dass nur das Schweigen für Rena sprechen kann.
„Habe ich dir jemals meinen Traum erzählt?“, fragt sie mich eines Tages am Telefon.
„Nein.“ Ich greife nach einem Kugelschreiben und einem Bleistift.
~ ~ ~
Diesen Traum hatte ich in Holland, nach dem Krieg, und zwar jede Nacht … Danka ist in Gefahr. Manchmal befehlen
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